Haben sich die USA der Ukraine zugewandt?

Nachdem US-Präsident Donald Trump vor einigen Monaten noch mit der Einstellung der Militärhilfe für die Ukraine gedroht hatte, scheint er seine Meinung geändert zu haben. Die neue US-Regierung ging zunächst davon aus, dass ihre prorussische Rhetorik, ihre Signale und ihre Diplomatie eine entsprechende Reaktion in Moskau provozieren und den Weg für ein Ende des Krieges zwischen Russland und der Ukraine ebnen würden. Nun scheinen Trump und seine Berater zu begreifen, dass dieser Ansatz nicht nur eine Sackgasse ist, sondern den gegenteiligen Effekt hat. Die russischen Luftangriffe auf ukrainische Städte und Dörfer haben in den letzten Monaten eher zugenommen als nachgelassen.
Die meisten Amerikaner – darunter viele Mitglieder der Republikanischen Partei, republikanische Wähler und sogar MAGA-Anhänger – befürworten weiterhin eine Unterstützung der Ukraine. Trump erkennt nun möglicherweise, dass die politischen Kosten seines prorussischen Ansatzes zu hoch werden. Der jüngste Kurswechsel ist ein Zugeständnis an die vorherrschende anti-putinistische und pro-ukrainische Stimmung im Land und nicht das Ergebnis kognitiver Fortschritte in der Einschätzung der russischen Außenpolitik durch das Weiße Haus.
Am 14. Juli drohte Trump Moskaus Handelspartnern öffentlich mit Sekundärsanktionen, falls der Kreml nicht bald einem Waffenstillstand in der Ukraine zustimmt. Bedeutet dies eine Kehrtwende in Trumps Russlandpolitik? Wahrscheinlich nicht – zumindest noch nicht. Oder vielleicht nicht einmal das. Bisher sind diese und ähnliche offizielle Aussagen Trumps und seiner Regierung lediglich Gesprächsthemen über ungewisse zukünftige Maßnahmen. Die meisten mündlichen und sogar einige seiner schriftlichen Äußerungen Trumps sollten, gelinde gesagt, mit Vorsicht interpretiert werden.
Die Reaktionen in der Ukraine auf Washingtons neue Rhetorik fielen daher gemischt aus. Ukrainische Kommentatoren räumen ein, dass Trump nach Monaten der öffentlichen Annäherung an Wladimir Putin nun einen anderen Ton anschlägt. Die meisten Ukrainer bleiben jedoch skeptisch, was die Nachhaltigkeit dieses offensichtlichen Kurswechsels in Washington angeht.
Trumps erstes Ultimatum an Putin könnte die Chance auf weitere Entwicklungen in dieser Frage erhöhen. Sollte der Kreml innerhalb von 50 Tagen keinem Friedensabkommen zustimmen, werden die USA voraussichtlich Strafzölle in Höhe von 100 Prozent auf Russlands Handelspartner erheben. Obwohl dieser Plan deutlich konkreter ist als frühere Ankündigungen, hat Washington damit ein kompliziertes Spiel begonnen. Der Druck, den Trump auf Moskau ausüben will, dürfte kaum direkt von den USA ausgehen. Vielmehr dürfte er von Drittländern wie China, Indien und Brasilien ausgehen, die Öl und/oder andere Produkte aus Russland beziehen.
Es ist unklar, ob und inwieweit diese und andere Länder dem amerikanischen Druck nachgeben werden. Wird ein 100-prozentiger US-Zoll ausreichen, um beispielsweise Indien zu einem Handelsstopp mit Russland zu bewegen? Sollte Trumps Plan nicht zu deutlichen Einschnitten im nichtwestlichen Handel mit Russland führen und Washington dennoch Zölle auf Länder erheben, die weiterhin mit Moskau Geschäfte machen, werden diese Länder Vergeltungsmaßnahmen auf US-Importe ergreifen. Sind die Amerikaner bereit, für die Ukraine zu leiden?
Trumps Plan scheint schlecht durchdacht und möglicherweise nie zur Umsetzung vorgesehen zu sein. Ein effektiverer Ansatz wäre gewesen, Russlands Handelspartner mit sehr hohen Zöllen zu bedrohen, wie beispielsweise den vom US-Senat vorgeschlagenen 500 Prozent. Dies hätte diesen Ländern signalisiert, dass sie sich unbedingt von Russland zurückziehen müssen. Die Folgen von Trumps derzeitigem, verworrenem Ansatz zur Abschreckung russischer Aggressionen bleiben abzuwarten.
Kurzfristig könnten die neuen US-Sanktionspläne das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung haben. Trumps Ankündigung dürfte in den kommenden Wochen lediglich zu einer Verschärfung der russischen Angriffe auf die Ukraine führen. Interessanterweise hat der Kreml nun eine quasi-offizielle Frist erhalten, innerhalb derer er die Bombardierungen ohne unmittelbare wirtschaftliche Folgen fortsetzen kann. Die von Washington gesetzte 50-Tage-Frist weckt den Verdacht, dass Putin bewusst eine weitere Gelegenheit erhält, weiteres Territorium zu erobern und militärische Erfolge zu erzielen, bevor die Verhandlungen wieder aufgenommen werden.
Sollte Trumps Plan funktionieren, könnte der Verlust nicht-westlicher Handelspartner Putins Kriegsmaschinerie tatsächlich schaden. Sollten sich China, Indien und andere Länder unter der Androhung amerikanischer Sanktionen von Russland abwenden und dem US-Beispiel folgen, wäre das ein Problem für den Kreml. Die größte – wenn auch nicht die einzige – Schwäche der vielen direkten internationalen Sanktionen gegen Russland war bisher die Tatsache, dass Moskau auf alternative Märkte, ausländische Käufer und Zwischenhändler sowie nicht-westliche Schifffahrtsrouten ausweichen konnte und so die Auswirkungen westlicher Strafmaßnahmen abfedern konnte. Sollten Trumps Zölle in Kraft treten, könnten diese Umlenkungen für Moskau erschwert werden.
Neben dem Zollultimatum kündigte Washington auch „massive“ Lieferungen amerikanischer Waffen an die Ukraine an. Dabei geht es vor allem (aber nicht nur) um die bekannten mobilen Patriot-Boden-Luft-Raketensysteme. Mehrere europäische Länder, darunter Deutschland, werden diese voraussichtlich von den USA kaufen und anschließend an die Ukraine liefern. Auch dies ist ein kompliziertes Vorhaben, aber realistischer als Washingtons Plan für sekundäre Sanktionen. Die Drittparteien sind hier die westlichen Partner der USA und nicht weniger kooperative oder gar feindselige nichtwestliche Regierungen.
Patriot-Systeme haben sich als eine der wirksamsten Abfangwaffen gegen die verschiedenen russischen Großraketen erwiesen. Daher besteht in Kiew eine große Nachfrage nach ihnen, und es besteht die Hoffnung, dass die ukrainische Luftabwehr bald über weitere Patriot-Systeme verfügen wird. Wie viele dieser und welche weiteren US-Waffen nun in die Ukraine gelangen, hängt maßgeblich von den – vor allem europäischen – Abnehmern ab. Es ist derzeit schwer vorherzusagen, welche Waffen in welcher Menge und in welchem Zeitraum in der Ukraine eintreffen werden. Die Bundesregierung hat zudem beschlossen, vorab keine genaueren Informationen zu den Waffenlieferungen zu geben.
Der unorthodoxe Charakter von Trumps Sanktionen und Unterstützungsprogrammen rührt daher, dass er sich mehr mit innenpolitischen als mit internationalen Angelegenheiten beschäftigt. Insbesondere seine Genehmigung bezahlter Waffenlieferungen an die Ukraine ist in erster Linie eine „America First“-Politik und keine neue geopolitische Strategie. Schlimmer noch: Der geschäftsmäßige Umgang mit Sicherheitsfragen untergräbt die Glaubwürdigkeit und das Vertrauen in die USA als internationalen Partner.
Die Vorgeschichte der amerikanischen Militärhilfe für die Ukraine, die derzeit stagniert, ist aufschlussreich. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion Anfang der 1990er Jahre engagierten sich die USA massiv in der strategischen Abrüstung der Ukraine. Aus strengen nationalen Sicherheitsinteressen übte Washington nicht nur Druck auf Kiew aus, die Atomsprengköpfe herauszugeben, die der frisch unabhängige ukrainische Staat von der UdSSR geerbt hatte; das damals von den USA geförderte Abkommen, das vor allem mit dem inzwischen berühmten Budapester Memorandum über Sicherheitsgarantien von 1994 in Verbindung gebracht wird, betraf auch die Trägersysteme für diese Sprengköpfe. Die Ukraine musste sich zudem von ihren Bombern, Marschflugkörpern und verschiedenen Raketen aus der Sowjetzeit trennen – konventionelle Waffen, die heute gut für die Ukraine wären.
Diese und andere internationale Abkommen früherer US-Regierungen sind für Trump & Co. Schnee von gestern. Stattdessen versucht Washington heute, von der Notlage Kiews und den wachsenden Ängsten Europas zu profitieren. Trumps Beharren auf der Rückzahlung der US-Militärhilfe für den Überlebenskampf der Ukraine ist mehr als nur ein amerikanischer Verrat an den Ukrainern, die 1994 Washingtons Sicherheitsgarantien im Austausch für die Abrüstung der Ukraine ernst nahmen.
Die neue Strategie der Trump-Regierung widerspricht zudem der Logik des globalen nuklearen Nichtverbreitungsregimes. Insbesondere widerspricht sie der besonderen Verantwortung der fünf offiziellen Atommächte – der USA, Russlands, Chinas, Großbritanniens und Frankreichs – für den Erhalt der internationalen Ordnung. Trumps transaktionaler Ansatz zum Schutz der grundlegenden Regeln der zwischenstaatlichen Beziehungen nach 1945, wie der Unveränderlichkeit von Grenzen und der Unzulässigkeit von Völkermord, schwächt ein internationales System, das die USA selbst geschaffen haben und von dem sie 80 Jahre lang profitiert haben.
Andere für die tägliche Schwächung eines jahrzehntealten US-Erzfeindes zahlen zu lassen, mag auf den ersten Blick vernünftig erscheinen. Im Verhältnis zum gesamten US-Verteidigungshaushalt waren die Kosten der jüngsten unentgeltlichen Militärhilfe der USA für die Ukraine jedoch gering. Im Gegensatz dazu waren die zerstörerischen Auswirkungen amerikanischer Waffen in ukrainischen Händen auf Russlands Streitkräfte und Wirtschaft hoch. Sie haben Moskaus Fähigkeit, einen NATO-Mitgliedsstaat anzugreifen, den die USA gemäß Artikel 5 des Washingtoner Vertrags von 1949 unterstützen müssten, kontinuierlich eingeschränkt. Die Trump-Regierung zieht sich nun bewusst aus diesem strategischen Abkommen zurück und ignoriert seltsamerweise dessen positive Auswirkungen auf die nationale Sicherheit der USA.
Trumps jüngster rhetorischer Kurswechsel gegenüber Putin ist jedenfalls weiterhin zu begrüßen. Die Frage ist, ob Washington ihn wirklich beabsichtigt und, falls ja, bereit ist, ihn auch umzusetzen. Bislang hat die Trump-Regierung ihre typisch kurzsichtige Sicht auf die nationalen Interessen der USA und ihre Bereitschaft, diese mit populistischen, wenn nicht gar demagogischen Parolen zu definieren, nicht aufgegeben. Die neue Regierung ignoriert weiterhin die weitreichenden Auswirkungen der US-Haltung zum Russland-Ukraine-Krieg auf die Weltordnung, deren Stabilität und Legitimität die Amerikaner ebenso beunruhigen sollte wie die meisten anderen Nationen.
observador