Was bedeutet es laut Psychologie, beim Sprechen wegzuschauen?

Wegschauen während eines Gesprächs kann verschiedene Bedeutungen haben, und die Psychologie zeigt, dass es dafür keine einheitliche Antwort gibt. Die Psychologinnen Cibele Santos und Fernanda Angelini erklären gegenüber Metrópoles , dass dieses Verhalten mit Vorsicht und immer im größeren Kontext interpretiert werden sollte.
Laut Cibele kann Wegschauen tatsächlich auf Unsicherheit oder Schüchternheit hinweisen . Menschen mit geringem Selbstvertrauen oder Angst vor sozialen Interaktionen vermeiden Augenkontakt, um sich geschützter zu fühlen. Dieselbe Geste kann auch in Situationen auftreten, in denen die Person etwas verbergen möchte, beispielsweise beim Lügen. „Das ist jedoch keine Regel. Manche Menschen lügen, während sie normalerweise Augenkontakt halten“, warnt die Psychologin.
Kulturelle Aspekte oder persönliche EigenschaftenAbgewandter Blick kann auch kulturelle Aspekte oder persönliche Eigenschaften widerspiegeln. Laut Cibele ist das Vermeiden von Augenkontakt in manchen Kulturen ein Zeichen von Respekt, während es in anderen als Unaufrichtigkeit angesehen werden kann. Sie weist auch darauf hin, dass dieses Verhalten mit bestimmten Erkrankungen wie sozialer Angststörung oder Autismus-Spektrum-Störung in Verbindung gebracht werden kann, bei denen es schwierig sein kann, Augenkontakt aufrechtzuerhalten.
Während Therapiesitzungen beobachten Psychologen den abgewandten Blick als mögliches Zeichen von Unbehagen oder Widerstand gegenüber dem besprochenen Thema. „Es ist ein Verhalten, das zusammen mit anderen Faktoren wie Körperhaltung und Tonfall analysiert werden muss“, betont Cibele Santos. Auch der Gesprächskontext, die Vorgeschichte des Patienten und die emotionale Intensität des Augenblicks sind entscheidende Faktoren für die Interpretation der Geste.

Fernanda Angelini weist darauf hin, dass es keine wissenschaftlichen Belege dafür gibt, dass abgewandter Blick direkt mit Bosheit oder Lügen in Verbindung gebracht wird. „Es könnte vieles bedeuten, unter anderem ein häufiges Merkmal neurodiverser Menschen , beispielsweise im Autismus-Spektrum“, erklärt sie. Ihrer Ansicht nach können vorschnelle Urteile Stigmata verstärken und sogar unnötige Spannungen erzeugen.
Angelini weist auch auf einen wichtigen Punkt hin: Der Versuch, Mikroausdrücke zu interpretieren oder den Blick unbedingt zu vermeiden, kann tatsächlich Unsicherheit oder ein Kontrollbedürfnis der analysierenden Person offenbaren. „Die kleinsten Gesten des anderen zu umschiffen, kann ein inneres Unbehagen anzeigen, mehr als jedes Verhalten des Gesprächspartners.“
Inmitten von Unsicherheiten, kulturellen Konstrukten und Verhaltensmustern bleibt das Wegschauen eine Geste, die Experten zufolge nicht isoliert interpretiert werden sollte. Entgegen der oft propagierten vereinfachenden Darstellung kann ein Wegschauen viel mehr Nuancen enthalten, als man sich vorstellt.
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