Private 5G-Netzwerke halten Einzug in Fabriken, Häfen und darüber hinaus. Ein Boom zeichnet sich ab.

- Campus-Netzwerke werden vollständig lokal betrieben und gewährleisten die vollständige Kontrolle über Daten und die Stabilität kritischer Prozesse. Laut Karina Krawiec, Product Owner bei T-Mobile Polska, ist dies die Zukunft für Industrie- und IoT-Anwendungen.
- Wie der WNP-Interviewpartner erklärt, ermöglichen Campus-Netzwerke die Implementierung von Technologien wie autonomen Gabelstaplern in Lagerhallen oder Inspektionsdrohnen in Häfen.
- Laut Karina Krawiec können polnische Fabriken, die in den letzten Jahren von Grund auf neu gebaut wurden, sofort die neuesten 5G-Lösungen und Prozessautomatisierung nutzen.
- Das Gespräch ist Teil einer Interviewreihe, die als Grundlage für den Bericht „Digitale Transformation der Industrie“ dienen soll, der von WNP Economic Trends im Rahmen des New Industry Forum (Katowice, 14.-15. Oktober 2025) erstellt wird.
Gerade im Kontext von Industrie 4.0 ist immer häufiger von Campus-Netzwerken die Rede. Was bedeutet dieses Konzept in der Praxis?
„Campus-Netzwerke sind zu einem weit gefassten Begriff für die Implementierung privater mobiler Konnektivität geworden, vor allem 5G, aber auch 4G, innerhalb eines bestimmten Bereichs, beispielsweise einer Fabrik. Dieses Netzwerk ist extrem sicher, verfügt über sehr hohe Durchsatzparameter und minimale Latenzzeiten und gewährleistet so eine ausreichende Kommunikationsqualität für Geräte. Daher bietet es eine ideale Grundlage für Digitalisierungsprozesse in Unternehmen. Die 5G-Technologie im C-Band verdient besondere Aufmerksamkeit.
Wichtig ist, dass das private Campus-Netzwerk von der Außenwelt isoliert ist. In der fortschrittlichsten Version der Lösung kann der Kunde über ein eigenes Kern- und Funknetz sowie eigene SIM-Karten verfügen. Dies garantiert, dass keine Außenstehenden Zugriff haben und Daten den kontrollierten Bereich des Kunden nicht verlassen. In anderen Varianten ist es möglich, Ressourcen aus dem öffentlichen Netz zuzuweisen, eine dedizierte Infrastruktur für einen bestimmten Kunden aufzubauen oder einen „Tunnel“ für nur einen Kunden zu erstellen.
Ist eine Kommunikation mit der Außenwelt notwendig, besteht diese Möglichkeit. Daten können sicher durch Firewalls in die Cloud oder ins Unternehmensnetzwerk übertragen werden. Allerdings ist zu beachten, dass dadurch die Sicherheit beeinträchtigt wird. Daher muss eine solche Entscheidung sorgfältig abgewogen werden.
Campus-Netzwerke werden in erster Linie mit der Industrie in Verbindung gebracht, aber reichen ihre Einsatzmöglichkeiten noch weiter? In welchen Umgebungen funktionieren sie am besten?
Vor allem in der Industrie, in Lagern, im Schiffsverkehr und in Häfen – überall dort, wo Unterstützung für IoT (Internet der Dinge – Anm. d. Red.), Automatisierung und Robotik benötigt wird. Sie sind auch im öffentlichen Sektor nützlich, beispielsweise in Krankenhäusern für die Übertragung großer Dateien oder Dateien mit sensiblen Patientendaten, bei Operationen oder in Städten für Ressourcen- und Energiemanagement, intelligente Beleuchtung, Parkplätze, Luftqualitäts- und Wasserzähler usw.
Das Campus-Netzwerk ist auch in großen Höhen gut einsetzbar und erleichtert den Kranbetrieb.Campus-Netzwerke werden von Wissenschaft und Forschung genutzt. Universitäten bauen Labore, in denen sie Roboter und Automatisierungssysteme testen, die einen bandbreitenstarken, verzögerungsfreien Netzwerkzugriff benötigen. Daher eignet sich diese Lösung in erster Linie für Organisationen, die Wert auf Geschäftskontinuität und Automatisierung legen.
Wo wurden solche Lösungen bereits umgesetzt? Welche Beispiele verdeutlichen ihr Potenzial am besten?
Beispiele gibt es zuhauf. Beginnen wir mit der Industrie. In einem Fertigungsunternehmen lässt sich die Produktionseffizienz steigern, ohne neue Stationen hinzuzufügen oder die bestehende Infrastruktur zu erweitern. Wie lässt sich das erreichen? Durch die Reduzierung von Ausfallzeiten und den Einsatz von Industrierobotern und autonomen Fahrzeugen. Dabei ist es entscheidend, eine sichere und unterbrechungsfreie Kommunikation zwischen diesen Geräten in Echtzeit zu gewährleisten. Ein Beispiel hierfür ist ein Lager, in dem autonome Gabelstapler Pakete transportieren. Diese können von Menschen bedient werden, werden aber auch von intelligenten Kameras überwacht, die unerwünschte Ereignisse erkennen und sofort reagieren, beispielsweise indem sie den Prozess stoppen.
Ein weiteres Beispiel ist ein Frachtterminal. Kräne arbeiten in großen Höhen, wo WLAN-Signale unzuverlässig sein können und zu Ausfallzeiten führen, die die Geschäftskontinuität gefährden. Ein Campus-Netzwerk bietet 100-prozentige Abdeckung und ist auch in großen Höhen einsetzbar. Es ist zudem eine deutlich sicherere Lösung als ein öffentliches Netzwerk, das keine vollständige Kontrolle bietet und bei dem es zu Unterbrechungen kommen kann. Für kritische Prozesse wäre die Verbindung zum öffentlichen Netzwerk zu riskant.
VR/AR-Kameras werden für die Mitarbeiterschulung eingesetzt. Anstatt ständig laufende Geräte zu verwenden, lernen die Mitarbeiter deren Bedienung in der virtuellen Realität. Dies geschieht über das Campus-Netzwerk, um einen verzögerungsfreien Betrieb und ein wirklich immersives Erlebnis zu gewährleisten.
Bei der Deutschen Telekom, zu der auch T-Mobile Polska gehört, verfügen wir dank der früheren Verfügbarkeit des C-Band-Spektrums über umfangreiche Erfahrung mit kommerziellen Implementierungen in Europa, die wir erfolgreich auf unseren heimischen Markt übertragen können. Jüngste Projekte in europäischen Häfen sind ein Paradebeispiel: In Rijeka entstand ein digitales und automatisiertes Containerterminal. Das 5G-Campusnetz wurde zur Steuerung von Kränen und Hafenmaschinen eingesetzt. Ein weiteres Beispiel ist der Hamburger Hafen, wo das Campusnetz die Grundlage für Drohneneinsätze bildet, die den technischen Zustand der Hafeninfrastruktur bewerten und 3D-Geländemodelle für Routenplanung und Infrastrukturänderungen erstellen.
Wie gewährleisten Sie die Cybersicherheit Ihres Campusnetzwerks? Vor welchen Herausforderungen stehen Administratoren?
In den letzten Jahren hat das Bewusstsein für die Notwendigkeit sicherer Netzwerke aufgrund wirtschaftlicher und geopolitischer Veränderungen deutlich zugenommen. Bedrohungen durch Cyberangriffe und unbefugten Zugriff kommen aus vielen verschiedenen Richtungen. Wir verfügen über zahlreiche Lösungen, die Unternehmen helfen, sich vor Angriffen und deren Auswirkungen zu schützen und in strategischen Projekten die Kommunikation mit der Außenwelt zu blockieren, sodass alle Prozesse und der Informationsaustausch intern stattfinden können.
In Campus-Netzwerken ist Sicherheit von grundlegender Bedeutung . Sie ist in das Design integriert. In der Praxis sind externe Angriffe sehr schwierig . Administratoren stehen im Vergleich zur Verwaltung anderer, traditionellerer Übertragungsnetzwerke vor weniger Herausforderungen.
Zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen sind vor allem dann erforderlich, wenn das Campus-Netzwerk mit dem Internet, der Cloud oder dem Unternehmensnetzwerk verbunden ist – dann kommen beispielsweise Firewalls zum Einsatz.
Welche Kompetenzen sind in IT- oder Managementteams erforderlich, um ein Campusnetzwerk effektiv zu verwalten und zu entwickeln?
Auf Kundenseite besteht praktisch keine Notwendigkeit, Netzwerkkompetenzen oder IT-Teams zu erweitern. Als Betreiber unterstützen wir den Kunden mit Expertenwissen. Wir sind für den gesamten Prozess verantwortlich: Lösungsauswahl, Design, Implementierung und anschließende Wartung.
Wenn das Unternehmen ein Campus-Netzwerk nutzt, ist eine Anbindung von außen möglich?
Ein Campus-Netzwerk wird in einem bestimmten Bereich, beispielsweise einer Fabrik, betrieben. Mitarbeiter nutzen es am Arbeitsplatz, nicht jedoch zu Hause. Dies schließt Remote-Arbeit nicht aus, erfordert aber zusätzliche Lösungen – das Unternehmen kann sein Firmennetzwerk auch über ein VPN nutzen. Externer Zugriff ist, wie bereits erwähnt, durch eine Firewall möglich.
Es ist wichtig zu beachten, dass ein Campus-Netzwerk keine Universallösung ist . Sein Hauptzweck besteht darin, die Kommunikation zwischen Geräten sicherzustellen, um beispielsweise die Kontinuität und Effizienz von Produktions- oder Geschäftsprozessen zu gewährleisten.
Campus-Netzwerke funktionieren unabhängig von der UnternehmensgrößeFunktionieren Campus-Netzwerke nur in großen Industriezentren oder auch in kleineren Unternehmen und Kommunen?
„Es kann sowohl von großen Unternehmen als auch von KMU und dem öffentlichen Sektor genutzt werden. Der Vorteil kleiner und mittlerer Unternehmen liegt in der Flexibilität und schnellen Entscheidungsfindung, und das ist im Geschäftsleben von entscheidender Bedeutung, insbesondere im heutigen, sich schnell verändernden Geschäftsumfeld. Kleine und mittlere Unternehmen sind in erster Linie auf ihr eigenes Kapital angewiesen, und obwohl Digitalisierungsprojekte Investitionsausgaben erfordern, können wir als Betreiber diesen Bedarf decken, indem wir Technologie auf Abonnementbasis anbieten. Das bedeutet, dass der Kunde eine monatliche Abonnementgebühr (OPEX) anstelle einer großen, einmaligen Kapitalausgabe (CAPEX) zahlt. Dies ermöglicht es ihnen, ihr Geschäft auszubauen und die Investition im Laufe der Zeit zurückzuzahlen.“
Große Unternehmen hingegen verfügen über finanzielle Ressourcen, haben aber längere Entscheidungsprozesse. Auch für sie entwickeln wir Lösungen – ob abonnement- oder investitionsbasiert –, die ihnen den Umstieg auf neuere Technologien ermöglichen.
In lokalen Verwaltungen dreht sich das Interesse vor allem um intelligentes Stadtmanagement: Energie, Abfall, Beleuchtung, Luftqualität und Wasserstand. All diese Elemente können über ein Campus-Netzwerk gesteuert werden. Auch Krankenhäuser sind öffentliche Einrichtungen, die dem Datenschutz Priorität einräumen und Prozesse zunehmend automatisieren.
Campus-Netzwerke eignen sich für Unternehmen jeder Größe. Die Technologie ist flexibel und skalierbar.
In Polen wurden die 5G-Frequenzen erst vor relativ kurzer Zeit freigegeben. Erwarten Sie einen Boom bei Campus-Netzen?
Ja, unser Markt ist reif dafür. Es lohnt sich, die Erfahrungen anderer Länder zu betrachten, die diese Technologie bereits nutzen – dort laufen bereits Implementierungen in Industrie, Logistik und anderen Sektoren. Ich konzentriere mich auf die Industrie. Obwohl wir weniger Fabriken haben als andere europäische Länder, haben wir den Vorteil, dass die neu errichteten Anlagen sehr modern sind und neue Technologien nutzen. Der Schwerpunkt liegt auf Automatisierung und Robotik, der Datenerfassung und der darauf basierenden Entscheidungsfindung. Sie werden ohne technologische Schulden gebaut.
Aufgrund der Dynamik der Marktveränderungen ist in der Industrie auch Flexibilität wichtig, verstanden als die Fähigkeit, die Produktion innerhalb weniger Wochen, nicht Jahre, umzustellen, sowie Energieeffizienz.
Meiner Meinung nach machen die fortschreitenden Automatisierungsprozesse und die Notwendigkeit, ihre Sicherheit zu gewährleisten, strenge Umwelt- und Energieanforderungen zu erfüllen und schnell auf sich ändernde Marktanforderungen reagieren zu können, natürlich die Implementierung von Campus-Netzwerken erforderlich, die zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen.
Der Erfahrungsaustausch trägt zur Entwicklung der gesamten Branche beiSind – abgesehen von der Beendigung der 5G-Auktion – weitere Maßnahmen des Staates erforderlich, um die Entwicklung dieses Sektors zu unterstützen?
„Die Zusammenarbeit zwischen Betreibern und Kunden, Technologieanbietern, Forschungseinrichtungen und Universitäten ist von entscheidender Bedeutung. Viele polnische Universitäten bauen ihre eigenen 5G-Netze auf, um Forschung zu betreiben, Roboter zu entwickeln und Lösungen zu testen, die Echtzeit-Konnektivität erfordern. Dies unterstützt die Entwicklung des gesamten Sektors erheblich. Der Wissensaustausch zwischen Wirtschaft und Technologie ist ebenfalls entscheidend, um diesen Anforderungen gerecht zu werden.“
Welche Kostenunterschiede gibt es zwischen dem Aufbau eines Campus-Netzwerks und herkömmlichen Lösungen wie Glasfaser?
„Eine allgemeingültige Preisliste ist nicht möglich. Campus-Netzwerktechnologie ist skalierbar und flexibel und kann so an die individuellen Bedürfnisse des Kunden angepasst werden. Wir entwickeln stets eine maßgeschneiderte Lösung. Manchmal ist sie teurer, manchmal günstiger als andere Übertragungsnetze. Jede Technologie erfüllt unterschiedliche Anforderungen und bewährt sich in unterschiedlichen Szenarien.“
Können diese privaten Netze dazu beitragen, Konnektivität an Orten bereitzustellen, die kommerzielle Betreiber bisher nicht erreicht haben? Ich spreche von den sogenannten „weißen Flecken“.
„Ja, absolut. Und sie können auch in einem tragbaren Modell betrieben werden. Ein gutes Beispiel ist ein Skiwettbewerb im Riesengebirge in Tschechien – an einem Ort ohne öffentliche Netzabdeckung sorgte eine Drohne für die Berichterstattung und sendete ein Signal entlang der Strecke. So konnte das Ereignis in Echtzeit verfolgt und übertragen werden.“
Auch an Orten ohne Infrastruktur, etwa auf Festivals, können temporäre Campusnetze aufgebaut werden . Sie sind für einige Tage in Betrieb.
Vor zwei Jahren startete T-Mobile im Rahmen des hub4industry-Konsortiums gemeinsam mit dem Krakauer Technologiepark das Projekt „European Digital Innovation Hub“. Können Sie diese Initiative zusammenfassen?
Ziel dieses Projekts ist es, polnische Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre Wettbewerbsfähigkeit durch den Einsatz moderner Technologien und Lösungen zu steigern. Kunden von Hub4industry erhalten umfassende Industrie 4.0-Beratung vom Konzept bis zur Umsetzung. Sie haben die Möglichkeit, die Technologien führender nationaler und internationaler Unternehmen aus erster Hand kennenzulernen und an Schulungen und Workshops teilzunehmen, die sie auf die Planung und Umsetzung nachhaltiger Veränderungen vorbereiten.
Das Programm richtet sich an alle Unternehmen, insbesondere an produzierende Unternehmen. In einem der Ausstellungsräume können Kunden Beispiele von Produktionsstationen wie Sortierern, autonomen Lagerfahrzeugen und autonomen Schweißanlagen besichtigen, die über ein 5G-Campus-Netzwerk betrieben werden. Sie können sich auch selbst davon überzeugen, wie klein diese Technologie ist und dennoch enormes Potenzial birgt: Die gesamte Netzwerkinfrastruktur ist buchstäblich in einem einzigen Rack-Schrank mit mehreren Netzwerkgeräten „eingeschlossen“.
wnp.pl