Paläokünstler: Die Arbeit an der Nachbildung einer Dinosaurierart dauert bis zu einem Jahr (Interview)

Die Paläokünstlerin Jay Balamurugan, die an der BBC-Serie „Walking with Dinosaurs“ mitwirkte, erklärt, dass die Nachbildung einer einzigen Dinosaurierart für die Leinwand ein ganzes Jahr dauert. Die Modellierung des Triceratops sei relativ einfach gewesen, während das wahre Aussehen der Flugsaurier die Macher verblüfft habe, fügt sie hinzu.
BBC Earth zeigt am 14. September erstmals die Naturserie „Walking with Dinosaurs“. Ausschnitte aus der Arbeit von Paläontologen wechseln sich mit fiktionalisierten Szenen aus dem Leben der Dinosaurier ab. Das Wissen darüber, wie Dinosaurier lebten, jagten, ums Überleben kämpften und sich entwickelten, basiert auf den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.
PAP: Was beinhaltete Ihre Arbeit an der Serie „Walking with Dinosaurs“?
Jay Balamurugan, Paläokünstler und Produktionsassistent der Serie: „Man könnte es als ‚Tierpflege‘ bezeichnen.“ In unserer Show kommen über 20 prähistorische Kreaturen vor, und jede einzelne musste mithilfe von VFX-Technologie entwickelt werden – nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen.“
PAP: Tiere, die Millionen von Jahren in der Erde begraben waren, wieder zum Leben zu erwecken, muss ein komplizierter Prozess sein.
JB: Wir sammeln zunächst alles verfügbare Wissen über eine bestimmte Art – wir sichten Dutzende wissenschaftlicher Artikel und Veröffentlichungen und sprechen mit Wissenschaftlern. Anschließend erstellen wir ein umfassendes Dokument, das beschreibt, wie ein Dinosaurier aussieht. Wir schicken es an unser Visual-Effects-Team, das die Tiere „modelliert“, fast wie aus einem digitalen Tonblock. Während dieses Prozesses beraten wir uns wiederholt mit Wissenschaftlern. Manchmal schicken wir ihnen ein Modell und sie antworten: „Der Kopf ist zu groß“, „Er braucht mehr Zähne“ oder „Hier sollten Federn sein.“ Es ist ein langwieriger Austausch, aber wir möchten sicherstellen, dass unsere Tiere so wissenschaftlich genau wie möglich sind. Diese Arbeit kann bis zu einem Jahr dauern.
PAP: Wie viel ist tatsächlich über diese Kreaturen bekannt und wie viel müssen wir uns vorstellen?
JB: Über manche Tiere, wie zum Beispiel den Triceratops, wissen wir sehr viel. Zum Glück sind viele vollständige Skelette erhalten, und sogar Hautabdrücke im Gestein zeigen uns genau, wie groß seine Schuppen waren und wo sie sich befanden. In diesem Fall können wir uns auf die Wissenschaft verlassen.
Über andere Tiere, wie den Spinosaurus – einen großen, fischfressenden Dinosaurier – ist unser Wissen jedoch weniger umfangreich. Wir besitzen nur wenige Skelette, und keines davon ist vollständig. Daher sind wir stark auf vergleichende Anatomie angewiesen. Wir vergleichen Körperteile dieses Tieres mit denen seiner Verwandten oder mit modernen Tieren, die sich ähnlich verhalten. Dadurch werden zwar Lücken geschlossen, aber es handelt sich stets um wissenschaftlich fundierte Annahmen.
PAP: Wie rekonstruieren Sie die Bewegungen ausgestorbener Tiere?
JB: Manchmal haben wir versteinerte Fußabdrücke, die uns eine Vorstellung davon geben, wie Dinosaurier ihre Pfoten platzierten. Wir können auch Muskelstrukturen rekonstruieren und Bewegungen simulieren, indem wir Knochen analysieren, die Muskelansätze zeigen. Und wir füllen die Wissenslücken durch die Beobachtung moderner Tiere.

PAP: Was waren die größten Überraschungen bei der Arbeit am Aussehen der Dinosaurier?
JB: Ich glaube, die seltsamsten Kreaturen, die wir je erschaffen haben, waren die Flugsaurier. Sie sind wirklich absurd. Als das erste Modell fertig war, dachten wir: „Mein Gott, was für ein Sonderling.“ Wir schickten es einem Wissenschaftler und der sagte, wir sollten es noch seltsamer machen: Der Hals wäre länger, der Kopf größer und die Augen kleiner. Wir optimierten das Modell nach den Anweisungen des Experten, und das Tier wurde immer seltsamer, bis wir uns fragten: „Wie kann dieses Ding überhaupt existieren?“ Es sieht fantastisch und absurd aus, aber wir haben ihre Knochen gesehen.
PAP: Was ist mit den Geräuschen der Dinosaurier? Die sind doch sicher nicht in Fossilien erhalten geblieben?
JB: Laute zu brüllen ist eine der schwierigsten Aufgaben. Dank versteinerter Kehlköpfe wissen wir, dass Dinosaurier wahrscheinlich ähnliche Laute von sich gaben wie heutige Vögel – Strauße, Kasuare, Emus und Krokodile. Sie brüllten also nicht wie Löwen. Das heißt nicht, dass sie gar nicht brüllten. Sie brüllten nur anders als Säugetiere.
PAP: Welches Element des Dinosaurier-Designprozesses ließ Ihrer künstlerischen Fantasie freien Lauf?
JB: Farben. Darüber haben wir normalerweise keine Informationen. Bei kleinen, gefiederten Dinosauriern aus Deutschland gab es Fälle, in denen Pigmente, die auf die Färbung hinweisen, im Fossil erhalten geblieben waren. Für große Dinosaurier liegen uns solche Daten jedoch nicht vor. Deshalb habe ich für jedes Tier etwa 20 bis 25 Farboptionen entworfen. Ich habe mich dabei am Aussehen naher moderner Dinosaurierverwandter orientiert, aber auch logisch gedacht. Ein junger Triceratops sollte mit der Vegetation verschmelzen. Hätte ein Tier ein riesiges Segel auf dem Rücken, könnte es wahrscheinlich dazu beigetragen haben, andere Individuen zu beeindrucken, und könnte auffällige Farben haben. Aber sollte es hell sein? Mit Flecken oder Streifen? Hier konnte man sich austoben.
PAP: Unterschieden sich Männchen und Weibchen in der Farbe?
JB: Das können wir vermuten. Bei modernen Vögeln unterscheiden sich Männchen und Weibchen fast immer in der Färbung, bei Krokodilen sind sie jedoch fast identisch. Es ist durchaus möglich, dass es bei einigen Dinosaurierarten keine Unterschiede gab, während es bei anderen deutliche Unterschiede gab. Deshalb haben wir für die verschiedenen Arten der Serie unterschiedliche Entscheidungen getroffen. Beim Lusotitan haben wir beschlossen, Männchen und Weibchen deutlich unterschiedlich zu gestalten. Weibchen sind eher braun, Männchen rötlich-blau. Beim Albertosaurus, einem kleineren Verwandten des T-Rex, haben wir uns entschieden, Männchen und Weibchen ähnlich, wenn auch farbenfroher, zu gestalten.
PAP: Sie erwähnten, dass die Dinosaurier in der Serie Charaktere sind, mit denen die Zuschauer sympathisieren sollen. Wie haben Sie diesen Effekt erreicht? Haben Sie zum Beispiel die Augen der Tiere vergrößert, um ihnen einen sympathischeren Eindruck zu vermitteln?
JB: Absolut nicht. Wir verändern weder Modelle noch Animationen, um Tiere beispielsweise traurig oder glücklich aussehen zu lassen. Stattdessen konzentrieren wir uns auf filmische Ausdrucksmittel – Bildausschnitt, Kameraführung, Musik. Wir zoomen auf die Augen und verwenden passende Musik. All das hilft, Emotionen zu vermitteln, ohne den Tieren menschliche Züge zu verleihen. Es geht darum, eine Geschichte zu erzählen und gleichzeitig der Wissenschaft treu zu bleiben.
PAP: Haben Sie keine Angst, dass in einigen Jahren neue wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen werden, dass Sie Fehler gemacht haben?
JB: Nun, das liegt in der Natur der Wissenschaft – sie entwickelt sich ständig weiter. Wir lernen ständig Neues, und das ist spannend. Vielleicht drehen wir in 20 Jahren eine neue Fernsehserie, und die Dinosaurier sehen dann ganz anders aus? Aber ich glaube, wir erreichen einen Punkt, an dem das Wissen gesättigt ist: Wir wissen bereits viel über das Aussehen und Verhalten prähistorischer Tiere. Wir werden nie hundertprozentig sicher sein, aber wir kommen dem Ziel nahe.
PAP: Was ist die wichtigste Botschaft, die Sie der Welt mit diesem Programm vermitteln möchten?
JB: Es ist wichtig, dass die Menschen erkennen, dass Dinosaurier noch immer unter uns leben – sie sind Vögel. Sie sind nicht nur Nachkommen von Dinosauriern, sie sind Dinosaurier. Dinosaurier sind eines der wichtigsten Symbole der Evolution. Sie zeigen, wie sich das Leben über Millionen von Jahren verändert und weiterentwickelt. Unser Programm soll das Bewusstsein dafür schärfen, dass diese Tiere, obwohl sie vor Millionen von Jahren lebten, in vielerlei Hinsicht den heute lebenden Tieren sehr ähnlich waren. Das gibt den Menschen eine wertvolle Perspektive darauf, wie das Leben funktioniert.
Interview mit Ludwika Tomal (PAP)
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