Quo vadis, Alentejo? – Die Dichotomie zwischen Tradition und Maßstab

Im Herzen des Alentejo, mit seinen weiten Horizonten, endlosen Ebenen und der sengenden Sonne, findet eine stille Revolution statt, die die reiche Kunst der Tradition mit der technologischen Präzision der Moderne in Konflikt bringt. Veränderungen in der Agrarindustrie verändern Landschaft, Wirtschaft und Identität einer der ikonischsten Regionen Portugals. Doch zu welchem Preis wächst dieses neue Modell der Agrarwirtschaft? Welchen Kontrasten, Herausforderungen und Wegkreuzungen steht dieses Alentejo gegenüber, das zunehmend für die Außenwelt produziert … und sich dennoch fragt, was ihm noch gehört?
In den letzten Jahrzehnten hat sich die Region zu einem strategischen Zentrum der portugiesischen und internationalen Agrarindustrie entwickelt, basierend auf Sektoren wie Olivenhainen, Mandelhainen, Weinbergen, Kork und Viehzucht. Nicht zu vergessen ist auch das bemerkenswerte Wachstum des Agrotourismus, der der Landschaft einen fast therapeutischen Charakter verliehen hat, als ob er müden Seelen eine Auszeit bieten würde.
Diese Entwicklung verbirgt jedoch tiefgreifende Gegensätze zwischen zwei nebeneinander existierenden Welten: Auf der einen Seite große agroindustrielle Unternehmen, die größtenteils von nationalen und ausländischen Wirtschaftsgruppen kontrolliert werden; auf der anderen Seite kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe, von denen viele in Familienbesitz sind.
Große Unternehmen brachten Innovation, Mechanisierung, Zugang zu internationalen Märkten und die Fähigkeit mit, in ertragssteigernde Technologien zu investieren. Im Oliven- und Weinbau beispielsweise ermöglichte die Größe eine effiziente Bewässerung, Qualitätszertifizierungen, ein ausgeklügeltes Marketing und Produktivitätssteigerungen, die Portugal zu einem wichtigen Exportland machten.
Diese Effizienzlogik steht jedoch im Widerspruch zur Widerstandsfähigkeit kleiner Produzenten, die traditionelle Praktiken bewahren, in die lokale Identität investieren und die Artenvielfalt als Teil ihres Erbes pflegen. Diese Unternehmen erhalten oft das soziale, wirtschaftliche und ökologische Gefüge der Dörfer, Städte und Kleinstädte des Alentejo, die von ihren eigenen Gemeinden oft als „vergessene Länder“ bezeichnet werden. Und sie stehen auch vor den größten Hindernissen: eingeschränktem Zugang zu bestimmten Dienstleistungen, begrenzten Möglichkeiten, in Innovationen zu investieren, und einem erschöpfenden bürokratischen System, das den kleinen Produzenten nicht nützt.
In sozialer Hinsicht hatte der Wandel des Sektors gemischte Auswirkungen. Landkonzentration und zunehmende Mechanisierung haben das Gebiet entvölkert. In nur sechzig Jahren verlor die Region rund 40 % ihrer Bevölkerung, eine Tatsache, die niemanden gleichgültig lassen sollte. Heute sind die Felder noch leerer, und dieser besorgniserregende Trend setzt sich fort. Die Region verliert nach und nach Einwohner, insbesondere junge Menschen, die im In- und Ausland nach besseren Lebensmöglichkeiten suchen. Gleichzeitig steigt die Abhängigkeit von Saisonarbeit, die für die Aufrechterhaltung der Ernte intensiver Nutzpflanzen unerlässlich ist und oft von Einwanderern unter prekären Bedingungen geleistet wird. Die geschaffenen Arbeitsplätze sind notwendig, führen aber nicht immer zu sozialer Inklusion oder nachhaltiger menschlicher Entwicklung.
Wirtschaftlich ist die Agrarindustrie von entscheidender Bedeutung. Laut INE entfielen im Jahr 2024 über 80 % der nationalen Olivenölproduktion auf Alentejo – vor allem dank der 66.000 Hektar intensiv bewirtschafteten Olivenhaine, von denen rund 50.000 im letzten Jahrzehnt angelegt wurden. Die Region trägt außerdem rund 17 % zur nationalen Weinproduktion bei. Kork bleibt ein Symbol für Exzellenz, denn Kork- und Steineichenwälder liefern nicht nur wertvolle Produkte, sondern auch wichtige Ökosystemleistungen. Der Agrotourismus bietet neue Möglichkeiten und verbindet die ländliche Welt mit Erlebnis- und Sinnestourismus. Die Abhängigkeit von europäischen Geldern, die Anfälligkeit für den Klimawandel und der Druck auf die Wasserressourcen machen das derzeitige Modell jedoch instabil – und manchmal nicht nachhaltig.
Neben den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen lässt sich die Fragilität der territorialen Governance nicht ignorieren. Der intensive Anbau landwirtschaftlicher Nutzpflanzen erfolgte oft ohne eine klare strategische Vision, und die öffentliche Politik war auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene nicht kohärent. Es mangelt an langfristiger Planung, effektiver Kontrolle und vor allem daran, den in der Region lebenden und arbeitenden Gemeinschaften aktiv zuzuhören. Das Fehlen eines inklusiven Governance-Modells, das politische Entscheidungsträger, Produzenten, Forscher und die Zivilgesellschaft einbindet, trägt zur Vertiefung der Ungleichheiten und zur Erosion des territorialen Zusammenhalts bei.
Es stellt sich unweigerlich die Frage: Die Agrarindustrie im Alentejo wächst, aber zu welchem Preis? Die abrupte Ausweitung extrem intensiver Oliven- und Mandelhaine wirft ernste Fragen hinsichtlich der Bodengesundheit, des Wasserverbrauchs und der Zukunft des Alentejo-Grundwasserleiters, insbesondere rund um den Fluss Alqueva, auf. Übermäßige Monokultur verarmt die Ökosysteme, beschleunigt die Erosion und gefährdet ihr Gleichgewicht.
Diese Debatte lässt sich nicht durch Romantisierung oder Vereinfachungen lösen. Es geht nicht darum, Großkonzerne zu dämonisieren oder Kleinbauern zu heiligen. Jeder spielt eine wichtige Rolle im sozioökonomischen Kontext der Region. Vielmehr geht es darum zu verstehen, dass die Zukunft des Alentejo möglicherweise von der Schaffung eines hybriden Modells abhängt – eines Modells, in dem Größe und Nachhaltigkeit, Profit und Landschaft sowie Innovation und Tradition zusammenkommen. Ein Modell, in dem die Zusammenarbeit verschiedener Akteure, intelligente Regulierung und verantwortungsvolle Investitionen die Säulen einer neuen Landwirtschaft bilden.
Und so frage ich: Quo vadis, Alentejo? Während sich das Gebiet mit geordneten Reihen von Oliven- und Mandelhainen füllt, stellt sich auch die Frage nach unserer Ernährungssouveränität. Welche Zukunft säen wir, wenn das einst vielfältige und saisonale Alentejo-Gericht zunehmend auf für den Export bestimmten Monokulturen beruht? Zwischen der Effizienz der Gegenwart und der Widerstandsfähigkeit der Zukunft steht das Alentejo an einem Scheideweg. Die Frage ist nun kollektiv: Wohin wollen wir?
Denn der wahre Wert der Agrarindustrie sollte nicht nur in Euro pro Hektar gemessen werden, sondern auch in der Zukunft pro Generation.
observador