Polnischer Wissenschaftler untersucht die psychische Gesundheit von Kleinkindern

Erfahrungen aus dem ersten Lebensjahr haben einen größeren und nachhaltigeren Einfluss auf die menschliche Entwicklung als ähnliche Erfahrungen in späteren Phasen, sagte Dr. Anna Brandt-Salmeri, die die psychische Gesundheit von Säuglingen erforscht und zu diesem Zweck Instrumente in das polnische Gesundheitswesen einführen möchte, gegenüber PAP.
Dr. Anna Brandt-Salmeri vom Institut für Psychologie der Schlesischen Universität in Kattowitz forscht im Rahmen des Bobas-Projekts zur psychischen Gesundheit von Kleinkindern.
In einem Interview mit PAP erklärte Dr. Brandt-Salmeri, dass sich die Aufmerksamkeit in der medizinischen Praxis bei den Kleinsten häufiger auf ihre motorische und physiologische Entwicklung als auf ihre psychische Gesundheit konzentriert. Die psychische Gesundheit wird jedoch von den ersten Lebensmomenten an geprägt, und einigen Wissenschaftlern zufolge sogar schon in der pränatalen Phase.
Wie der Forscher betonte, ist die Kindheit eine besondere Lebensphase. In dieser Zeit werden die Grundlagen für das Selbstbewusstsein eines Kindes gelegt, und im Gehirn finden intensive Prozesse statt, die unter anderem die Fähigkeit bestimmen, Emotionen zu erleben, zu regulieren und zu kommunizieren, Empathie zu entwickeln und Beziehungen aufzubauen und zu lernen.
„Das erste Lebensjahr ist eine besondere und komplexe Zeit. Diese Phase fördert eine äußerst dynamische emotionale und soziale Entwicklung, macht das sich entwickelnde Nervensystem aber auch besonders empfindlich gegenüber schädlichen Faktoren wie Infektionen, Stoffwechselstörungen oder Verletzungen. Ungünstige Umweltbedingungen wie unzureichende Pflege, sensorische Deprivation (eingeschränkter oder vollständiger Ausschluss von Reizen – PAP) und sogar chronischer elterlicher Stress, der zu einer verminderten Sensibilität der Bezugsperson für Signale des Kindes führen kann, können ebenfalls eine Gefahr für die Entwicklung eines Säuglings darstellen“, so der Interviewer gegenüber PAP.
Sie betonte, dass sich ein Säugling nur in einer sicheren Umgebung und in der Beziehung zu einer Bezugsperson, die mitfühlend und sensibel auf die Bedürfnisse des Kindes eingeht, richtig entwickeln kann. Positive und negative Erfahrungen in dieser Lebensphase haben einen größeren und nachhaltigeren Einfluss auf die menschliche Entwicklung als dieselben Erfahrungen später im Leben.
Der Wissenschaftler möchte zwei in Westeuropa gängige Instrumente an die polnischen Verhältnisse anpassen: das Copenhagen Infant Mental Health Screening (CIMHS) und die Alarm Distress Baby Scale (ADBB). Beim CIMHS handelt es sich um ein Interview, bei dem Informationen zu Schlaf, Ernährung, emotionalem Ausdruck, kognitiver und sprachlicher Entwicklung und der Beziehung zu den Bezugspersonen gesammelt werden. Das Copenhagen Screening kann von Spezialisten in Einrichtungen der Frühförderung, einschließlich Kliniken, als Methode zur Erkennung potenzieller Bereiche mit psychischen Gesundheitsrisiken eingesetzt werden. Das ADBB, das in Frankreich entwickelt wurde, soll Anzeichen von sozialem Rückzug überwachen, der auf leichte Kommunikationsschwierigkeiten eines Kindes hinweisen oder ein Frühwarnsignal für ernstere Probleme sein kann. Der Test besteht aus acht Kategorien, wobei Spezialisten Faktoren wie Augenkontakt, Lautäußerungen und die allgemeine Aktivität des Kindes bewerten.
Forscher achten beispielsweise darauf, ob Säuglinge angemessenen Blickkontakt mit Bezugspersonen und anderen Menschen herstellen, ob ihre Mimik ihre Emotionen widerspiegelt und ob sie sich mindestens eine Minute lang auf bestimmte Aktivitäten konzentrieren können.
Der Psychologe stellte fest, dass Babys, da sie völlig schutzlos und abhängig von anderen geboren werden, über viele evolutionäre Tricks verfügen, darunter Lächeln und Plappern, die es wahrscheinlicher machen, dass ihre Bedürfnisse erfüllt werden. „Die Priorität der Eltern besteht darin, ihr Kind am Leben zu erhalten, und das Repertoire an emotionalen und sozialen Signalen von Säuglingen dient einer Anpassungsfunktion und fördert die Fürsorge der Erwachsenen“, so der Experte.
Bei der Beurteilung des Verhaltens kommt es nicht auf die spezifischen Reaktionen von Kindern auf unterschiedliche Situationen oder Personen an; das Temperament des Säuglings ist weniger wichtig. Vielmehr kommt es auf die Vielfalt der Reaktionen, die Fähigkeit zur Anpassung an Situationen und die Fähigkeit zur Kommunikation von Emotionen an andere an. „Das besorgniserregendste Symptom ist der sogenannte Affektflachzustand, also eine Situation, in der das Kind keine klaren und deutlichen emotionalen oder sozialen Reaktionen zeigt und seine Anwesenheit daher weder Bezugspersonen noch anderen Erwachsenen signalisiert“, betont Dr. Brandt-Salmeri.
Bei beiden Instrumenten handelt es sich um Screening-Tools, die frühe Anzeichen psychischer Gesundheitsrisiken erkennen sollen. Experten zufolge sollte die Häufung von Symptomen, wie beispielsweise gleichzeitige Schlaf- und Essstörungen sowie eine schlechte Emotionsregulation, besonders besorgniserregend sein.
Die Experten planen außerdem, das psychische Wohlbefinden der Eltern zu beurteilen, die ihre Kinder zum Test bringen. „Wir wollen sehen, wie sich der psychophysische Zustand eines Elternteils auf die Funktionsfähigkeit seines Kindes auswirkt. Bei Stress oder Überlastung reicht manchmal Psychoedukation aus. In komplexeren Fällen kann jedoch eine fachärztliche Intervention notwendig sein“, sagte Dr. Brandt-Salmeri.
Der Wissenschaftler hofft, dass durch das Projekt die dänischen und französischen Skalen an unsere kulturellen Bedingungen angepasst werden. „Mein Hauptziel ist es, auf die Bedeutung einer frühzeitigen psychologischen Betreuung aufmerksam zu machen und beide Instrumente langfristig in das polnische Gesundheitssystem einzuführen“, räumte der Psychologe ein.
Sie fügte hinzu, dass eine frühzeitige psychologische Intervention eine hohe Wahrscheinlichkeit für eine wirksame Hilfe sowie Einsparungen bei späteren Behandlungen im überlasteten polnischen psychiatrischen Versorgungssystem für Kinder und Jugendliche bedeute.
Im Rahmen des Bobas-Projekts will Dr. Anna Brandt-Salmeri bis April 2026 200 Betreuer-Kind-Paare (Kinder im Alter von etwa 8 bis 12 Monaten) untersuchen. Die Beobachtungen werden von geschulten Fachkräften durchgeführt, einige Sitzungen werden aufgezeichnet. Das Projekt wird in mehreren Zentren in Schlesien durchgeführt, darunter in Zabrze, Gliwice, Katowice und Mysłowice.
Das Bobas-Projekt, dessen offizieller Titel „Psychische Gesundheit von Säuglingen: Anpassung von Messinstrumenten, Identifizierung von Risikogruppen und Beziehungen zum psychischen Zustand der Eltern“ lautet, wird vom National Science Centre im Rahmen des MINIATURA-8-Stipendiums finanziert.
Weitere Informationen, einschließlich der Teilnahme an der Studie, finden Sie auf der Projektwebsite und auf der Facebook-Seite des Bobas-Projekts. (PAP)
Anna Bugajska
abu/ bar/ js/
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