Die Industrie 4.0 nimmt in Polen Fahrt auf, aber die Revolution können wir vorerst vergessen.

- Die Idee der Industrie 4.0 wird in Polen zwar umgesetzt, hat aber noch keinen Durchbruch gebracht. Wie der CEO von Nextomation, einem Anbieter von Fertigungstechnologien, betont, handelt es sich eher um eine „Evolution, die die Richtung für die Branchenentwicklung vorgibt“ als um eine radikale Transformation.
- Heute ist Software die Grundlage jeder modernen Anlage – sie ermöglicht nicht nur die Überwachung der Leistung, sondern vor allem die Analyse der Rentabilität, Abweichungen und Fehler in jeder Phase des Prozesses, fügt Grzegorz Szydełko hinzu.
- Er weist darauf hin, dass Kompetenzen und Bürokratie den Fortschritt behindern – den Absolventen mangele es noch immer an praktischen Fähigkeiten, und der Prozess der Finanzierungsbeantragung sei „sehr schwierig und mit dem Risiko verbunden, beim kleinsten Fehler die Förderung zu verlieren“. Dies, zusammen mit der Marktinstabilität, bremse die digitale Transformation der Branche.
- Das Gespräch ist Teil einer Interviewreihe, die als Grundlage für den Bericht „Vom Band zum Algorithmus. Wie die Digitalisierung die Zukunft der Industrie prägt“ dient, der von WNP Economic Trends im Rahmen des New Industry Forum (Katowice, 14.-15. Oktober 2025) erstellt wird.

Da die polnische Industrie um ihre Wettbewerbsfähigkeit kämpft, ist das Thema Digitalisierung von großer Bedeutung. Wie beurteilen Sie als Lieferant automatisierter Montage- und Prüflinien für große internationale Kunden den Fortschritt der Industrie 4.0-Revolution in Polen?
- Wie Sie richtig bemerkt haben, stehen wir auf der anderen Seite dieses Prozesses, d. h. wir unterstützen Unternehmen bei der Automatisierung, Effizienzsteigerung und Optimierung von Produktionsprozessen.
In den vergangenen fünf Jahren haben wir zahlreiche Investitionen in die Automatisierung getätigt und stehen damit kurz vor der Digitalisierung der Produktion. Dazu gehören umfassende Montage- und Prüfsysteme sowie Verbesserungen und Werkzeuge zur Unterstützung der Produktion.
Unser Unternehmen hat außerdem Lösungen zur Digitalisierung ausgewählter Prozesse implementiert und Tools zur Unterstützung des Produktionsmanagements für unsere Kunden entwickelt. Dies ist eine strategische Initiative: Prozesse rationalisieren, beschleunigen, Abfall reduzieren und Mitarbeiter von monotonen und sich wiederholenden Aufgaben entlasten, die automatisiert werden können und sollten.
Industrie 4.0 – eine Revolution, die in Polen zur Evolution geworden istGleichzeitig beobachten wir ein allgemein steigendes Bewusstsein für Datensicherheit und -archivierung sowie den Schutz industrieller Netzwerke. Das Risikobewusstsein ist heute deutlich höher als noch vor wenigen Jahren. Unternehmen speichern Daten sorgfältig und duplizieren Archivierungsorte, um sie zu sichern. Dies wird zunehmend zur Standardpraxis.
Beim Bau von Montage- und Prüflinien integrieren wir diese in übergeordnete Systeme: MES, ERP und SAP. Heutzutage ist bei praktisch keinem Projekt die Anbindung einer Linie an übergeordnete Systeme und Kundendatenbanken mehr erforderlich. Dies stellt einen deutlichen Wandel gegenüber früheren Jahren dar, als nur die vermögendsten Unternehmen solche Lösungen implementierten. Mittlerweile tun dies auch kleinere Hersteller.
Meinen Beobachtungen zufolge wird die Idee der Industrie 4.0 in Polen zwar umgesetzt, sie hat jedoch keine große industrielle Revolution ausgelöst, sondern eher eine Evolution, indem sie der industriellen Entwicklung eine Richtung gegeben hat.
Stehen wir als Land also am Anfang dieses Weges?
- Noch vor einem Jahrzehnt war Industrie 4.0 ein Konzept, dessen Prinzipien für viele Bereiche der Industrie nicht klar und verständlich waren – heute ist es das führende Paradigma der modernen Produktion.
Für Praktiker geht es nicht nur um die Integration von IT und OT, sondern um eine grundlegende Änderung der Herangehensweise an Prozesse: vollständige Digitalisierung des Datenflusses, Automatisierung des Produktionsmanagements und intelligenter Einsatz von Maschinen, die in Echtzeit miteinander kommunizieren.
Trotz der Ankündigungen vieler Unternehmen sind Industrie 4.0-Implementierungen in Polen noch immer fragmentiert und beschränken sich oft auf einzelne, unvollständige Implementierungen, manchmal sogar auf Experimente. In der Praxis sind es vor allem größere Hersteller, die integrierte MES-, APS-, IoT- und kollaborative Robotersysteme mit skalierbaren Strategien implementieren. Aber auch in kleineren Unternehmen, die einen hohen Automatisierungsgrad bevorzugen, gibt es Implementierungen.
Ein erheblicher Teil der Betriebe implementiert Industrie 4.0 vor allem zur Überwachung einzelner Prozesse. Das Pilotlinienmodell dominiert oft, doch fundierte Investitionen sowie finanzielle und beratende Unterstützung (auch für KMU) beeinflussen die Entscheidung zur Umsetzung solcher Projekte.
Bei Industrie 4.0 geht es jedoch nicht nur um Automatisierung für den „Wow“-Effekt. Die Effektivität von Implementierungen hängt von der geschäftlichen Begründung ab – Kostenoptimierung, verkürzte Vorlaufzeit, Qualitätsstabilität und einfachere Prozesskontrolle.
Erwähnenswert ist auch die künstliche Intelligenz, deren Einsatz in der Industrie einen Durchbruch darstellen sollte. Sie ist derzeit ein beliebter Trend und eine großartige Technologie, die wir geschickt nutzen sollten.
Leider gibt es keine eindeutigen Daten zum effektiven Einsatz dieser Technologie in unserer Branche, obwohl wir von ihrer Implementierung in verschiedenen Bereichen hören. Das Potenzial ist hier eindeutig!
Sie haben erwähnt, dass die Digitalisierung auch im Unternehmen selbst Veränderungen erzwingt. Welche Technologien entwickeln Sie und auf welche Bereiche sind Sie spezialisiert?
- Wir entwickeln Produktionsmanagementsoftware und flexible Tools, die auf die individuellen Kundenbedürfnisse zugeschnitten sind.
In der modernen Produktion geht es heute vor allem um Daten und Software.Wir legen Wert darauf, dass unsere Lösungen in die Hostsysteme unserer Kunden integriert werden können und sich leicht erweitern und an dynamisch wechselnde Produktionsanforderungen anpassen lassen. Dabei ist es entscheidend, dass die von uns implementierte Technologie die Weiterentwicklung – sowohl software- als auch hardwareseitig – nicht behindert. Diese Strategie stellt sicher, dass unsere Kunden ihre Produktionskapazitäten in späteren Schritten schnell skalieren können.
In der modernen Fertigung geht es nicht nur um die Produktionslinie, sondern auch um eine Welt voller Daten. Software bildet heute die Grundlage jeder modernen Anlage und ermöglicht nicht nur die Leistungsüberwachung, sondern vor allem die Analyse von Rentabilität, Abweichungen und Fehlern in jeder Prozessphase.
Aus diesem Grund entwickeln wir Systeme für ein fortschrittliches Produktionsmanagement, einschließlich der vorausschauenden Wartung, d. h. der Vorhersage des optimalen Zeitpunkts für die Inspektion und Wartung von Maschinen.
Digitale Zwillinge und KI – Technologien mit enormem PotenzialZu den Branchentrends zählt zweifellos die zunehmende Bedeutung des „digitalen Zwillings“ – einer virtuellen Darstellung einer Produktionslinie oder ausgewählter Maschinen . Obwohl diese Lösung noch nicht Bestandteil jedes Projekts ist, beobachten wir ein starkes Kundeninteresse und erkennen das Potenzial, den gesamten Bauprozess einer Produktionslinie mithilfe dieser Technologie zu optimieren.
Wir bieten Lösungen und Tools, mit denen Sie nicht nur die Produktion automatisieren, sondern sich auch auf die weitere Digitalisierung vorbereiten können – Echtzeit-Datenanalyse, schnelle Produktänderungen und Personalisierung von Produktionsprozessen.
Ich betone: Industrie 4.0 ist keine einmalige Implementierung, sondern eine umfassende Transformation der Arbeitsweise eines Unternehmens, bei der die Technologie Menschen und Prozesse in jeder Phase der Unternehmensentwicklung unterstützt.
Wie steht es um Ihre Personalabteilung? Halten Sie mit diesen Veränderungen Schritt? Wie entwickeln Sie Mitarbeiterpotenziale und bauen Kompetenzen auf?
Bei der Suche nach neuen Kompetenzen nutzen wir verschiedene Modelle – wir arbeiten mit Universitäten wie der AGH, der Technischen Universität Krakau und der Technischen Universität Breslau sowie mit weiterführenden Schulen zusammen. Wir organisieren Praktika und Traineeships und laden junge Talente zur Mitarbeit ein. Wir schaffen Entwicklungspfade für neue Mitarbeiter.
Qualifikationslücke: Die Ausbildung hält nicht mit den Anforderungen der Industrie SchrittUnd was die Kompetenzen betrifft, deren Lücke wir nicht innerhalb angemessener Zeit schließen können, arbeiten wir mit unseren Partnern und Herstellern spezialisierter Lösungen zusammen, die wir in Produktionslinien integrieren – und auf diese Weise schaffen und liefern wir unseren Kunden umfassende Lösungen.
Wie beurteilen Sie die Vorbereitung des polnischen Bildungssystems auf die Herausforderungen neuer Technologien?
Ich sehe enormes Potenzial bei jungen Menschen – sie sind ehrgeizig, aufgeschlossen und kreativ. Leider mangelt es noch an Kompetenzen in den Bereichen Künstliche Intelligenz und Industrie 4.0…
Viele Studierende verlassen die Universitäten mit theoretischem Wissen, aber es mangelt ihnen an praktischen Fähigkeiten. Obwohl die Infrastruktur, beispielsweise die Labore, in den letzten Jahren deutlich verbessert wurde, halten die Lehrpläne selten mit den dynamischen Veränderungen in der Industrie Schritt.
In vielen Ländern, insbesondere in Asien, ist das Erlernen von Digitalisierung, Automatisierung und Maschinenprogrammierung bereits fester Bestandteil der Ausbildung junger Menschen. In Polen hingegen betrachten wir diese Technologien noch immer als Neuheiten, anstatt sie alltäglich zu machen. Die Zukunft der Industrie hängt jedoch von digitalen Kompetenzen und der Fähigkeit ab, mit fortschrittlichen Werkzeugen zu arbeiten.
Vor einigen Jahren lieferten wir in Zusammenarbeit mit unseren Partnern eine Fertigungsstraße für die AGH-Universität für Wissenschaft und Technologie in Krakau. Diese war mit den damals modernsten Lösungen zur Produktionsautomatisierung ausgestattet, um die Studierenden in den neuesten Technologien auszubilden. Heute muss diese Linie modernisiert werden, da sich die Welt weiterentwickelt hat. Dies zeigt, wie wichtig es ist, sowohl die Ausrüstung als auch die Lehrpläne ständig zu aktualisieren.
Ich möchte hinzufügen, dass Unternehmen in Deutschland in Firmenschulen investieren, wo sie Mechatroniker und Automatisierungstechniker praxisnah ausbilden. In Polen sind solche Lösungen noch selten, da sich viele Unternehmen eine solche Investition nicht leisten können.
Könnte der Staat hier helfen, auch durch finanzielle Unterstützung? Welche Rolle sollte er bei der Beschleunigung der digitalen Transformation der Industrie spielen?
- Dies ist ein sehr weites Thema, da es viele Möglichkeiten gibt, den Staat einzubeziehen ...
Bürokratie und fehlende systemische Unterstützung behindern die Entwicklung der DigitalisierungDer Prozess der Finanzierungsbeschaffung ist für Unternehmer sehr schwierig. Es gibt zwar Programme, aber sie erfordern einen enormen Arbeits- und Bürokratieaufwand, und ihre Verwaltung birgt das Risiko, die Förderung beim kleinsten Rechenfehler zu verlieren. Im Vergleich zu Ländern wie Deutschland oder Spanien ist dieser Weg für kleine und mittlere Unternehmen oft zu beschwerlich...
Dies ist einer der Gründe, warum die europäische Industrie, einschließlich der polnischen, an Wettbewerbsfähigkeit verliert. Europa hat Innovation, Ökologie und nachhaltige Entwicklung in den Vordergrund gestellt, was richtig ist, wirft aber eine grundlegende Frage auf: Geht dies nicht auf Kosten unserer Marktposition in der globalen Lieferkette? Gleichzeitig profitieren viele asiatische Unternehmen von Subventionen und Unterstützung, was ihre globale Wettbewerbsfähigkeit stärkt.
Deshalb unterstützen wir unsere Kunden bereits in der Projektvorbereitungsphase. Wir bieten Beratungsleistungen an, um das Risiko übermäßiger Investitionskosten zu minimieren und helfen bei der Auswahl maßgeschneiderter Lösungen, die den tatsächlichen Bedürfnissen entsprechen. Wir verfolgen einen pragmatischen Ansatz im gesamten Prozess und helfen Ihnen, die Technologie an die Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen und die verfügbaren Mittel optimal zu nutzen.
Es gibt noch viel zu tun, aber ich freue mich, dass in Europa das Bewusstsein für die Notwendigkeit einer Transformation der polnischen Industrie, einschließlich der digitalen Transformation, wächst. Diese Transformation kann durch Förderprogramme (sowohl national als auch auf EU-Ebene) unterstützt werden. Dieser Prozess muss in jeder Phase vereinfacht und flexibel gestaltet werden.
Warum also hinkt Polen bei der Digitalisierung noch immer hinterher?
Die Hauptgründe dafür sind fehlende systemische Unterstützung, komplexe Verfahren und Marktinstabilität. Die Krise in der Automobilindustrie, die Pandemie und die geopolitische Unsicherheit führen dazu, dass Unternehmen vorsichtig investieren. Strategien, die früher auf fünf Jahre angelegt waren, werden heute alle ein bis zwei Jahre überarbeitet. Europa bewegt sich langsamer als China, wo klar definierte Ziele und finanzielle Unterstützung für deren Umsetzung gesichert sind.
Auf europäischer Ebene gibt es jedoch verschiedene Programme – zum Beispiel „KI-Gigafabriken“ oder „Anwendung künstlicher Intelligenz“ sowie andere Strategien im Zusammenhang mit Quantentechnologien. Wir haben auch die polnische Digitalisierungsstrategie 2035… Ist das eine echte Unterstützung für die Wirtschaft?
„Das ist definitiv ein Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen moderne Technologien entwickeln, sonst geraten wir ins Hintertreffen. Entscheidend ist jedoch, den Zugang zu Finanzierungen im Bereich Digitalisierung und neue Technologien zu vereinfachen. Auch Sicherheitsvorschriften und Bildungsprogramme, die die digitalen Kompetenzen der Mitarbeiter verbessern, sind entscheidend.“
Datensicherheit und NIS2 – Neue IndustriestandardsWir haben über die neuesten Technologien gesprochen, daher muss ich zum Abschluss noch die Frage nach Sicherheitsaspekten stellen. Schließlich geht es um sensible Daten. Wie schätzen Sie das Bewusstsein in den Unternehmen ein?
„Das Bewusstsein wächst, was sehr positiv ist. Es werden Standards wie NIS2 implementiert, die den Schutz industrieller Netzwerke stärken. Unsere Kunden zögern, Remote-Verbindungen zuzulassen – und das ist aus Sicherheitsgründen verständlich, und es gab tatsächlich Fälle von Eingriffen in industrielle Netzwerke.“
Es ist wichtig, dass sich die Vorschriften nicht auf die Erstellung von Dokumentationen beschränken, sondern echte Tools bereitstellen, die die Sicherheit der Geschäftskontinuität gewährleisten und einfach zu implementieren und zu warten sind.
Es werden Fortschritte bei der Netzwerksegmentierung, den Systemaktualisierungen und dem allgemeinen Sicherheitsmanagement erzielt.
Und auch hier ist die Rolle des Staates entscheidend, denn das Wichtigste ist, dass die Regelungen einfach, praktisch, wirksam und leicht umsetzbar sind.
wnp.pl