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Ein Puma strolcht durch Sachsen-Anhalt: Warum wir diese gefährlichen Tiere verdient haben

Ein Puma strolcht durch Sachsen-Anhalt: Warum wir diese gefährlichen Tiere verdient haben

Alles wieder wie im Sommer vor zwei Jahren, als ein „Löwe“ in Kleinmachnow gesichtet wurde und ganz Berlin tagelang in Angst und Schrecken versetzte. Wieder gibt es ein verwackeltes Video, das die Existenz des echten Pumas bezeugen soll. Wieder Experten, die sich sicher sind: Die Gefahr ist real, mitsamt Warnung des Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe.

Und wieder eine groß angelegte Suchaktion, dieses Mal rund um die Marina Braunsbedra, mitsamt Polizeihubschrauber. „Es ist kein Fake“, meint Sabine Faulstich, Ordnungsdezernentin des Saalekreises in Sachsen-Anhalt. Anwohner bleiben in ihren Häusern. Die Menschen schauen sich um, bevor sie vor dem Supermarkt aus dem Auto steigen. Wie die Eltern mit ihren Kindern auf dem nah gelegenen Zeltplatz sich fühlen, man möchte nicht in ihrer Haut stecken.

Es ist wie in den zwei Sommernächten in Berlin: Wenn man bei untergehender Sonne den Müll rausbrachte, oder mit dem Fahrrad durch den Süden der Stadt fuhr, merkte man ein neues Schaudern im Nacken, die Löwin könnte in einer dunklen Ecke oder sogar auf offener Straße auf uns warten und uns anfallen. Die Gefahr aus dem Dschungel, die Königin der Tiere. Nun der Puma, von dem niemand weiß, wo er hergekommen ist und wohin er geht.

Die Löwin gab es nicht. Es war nur ein Wildschwein. Was aber, wenn der Puma nun nicht mehr auftaucht? Wenn die Anhaltiner im Ungewissen bleiben müssen, ob er tot ist oder verschwunden, es ihn womöglich nie gegeben hat, oder aber er weiterhin unerkannt durch die Gärten und Steppen des Saalekreises wandert? Vielleicht gibt er sich erneut zu erkennen, vielleicht auch nicht. Von einem Tag auf den anderen haben wir erneut einen Hechtsprung gemacht in vormoderne Zeiten und Bibelgeschichten, in der wilde Tiere und Monster eine ganz natürliche Rolle gespielt haben im alltäglichen Denken.

Die Tiere repräsentieren die aktuell reanimierte Risikogesellschaft

Diese Tiere, die plötzlich immer wieder auf Straßen liegen, durch Keller schleichen oder sich in die Büsche schlagen – die Schlangen, Alligatoren, Bären, Löwen und Pumas – sind die perfekte Metapher für unsere Zeit, ja letztlich für die Zeitenwende überhaupt. Denn sie repräsentieren die aktuell reanimierte Risikogesellschaft, in der wir uns, seitdem der Soziologe Ulrich Beck den Begriff in den 1980er-Jahren erfunden hat, wieder befinden. In der Seuchen aus dem Nichts über die Welt kommen, in der seriös über einen Atomkrieg diskutiert wird und dessen Hintergrund die alle Menschen auslöschende Klimakatastrophe bildet. Ja, wir haben diese gefährlichen Wildtiere verdient. Denn die Welt, auch unsere, ist wieder voller Gefahren.

Es ist die Bedrohung aus dem Dschungel, aus dem fremdem Kulturkreis. Die Anmut des Naturwesens, das den Menschen in ihrer größten Idee des Zusammenlebens, der Erfindung der Zivilisationen und Städte, Angst macht. Wird es nun endlich eine neue Koexistenz mit den Tieren geben, wie sie viele Wissenschaftler lange fordern? Oder werden wir uns noch mehr vor den „anderen“ Lebewesen dieser Erde fürchten, den reißenden Wölfen, den Schlangen und Krokodilen, die durch unsere Gärten zischeln. 2021 schlich übrigens schon einmal ein Leopard um die Felder der Gegend. Er war aus privater Haltung ausgebüxt.

Berliner-zeitung

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