Bully lässt die Kirche im Dorf: „Das Kanu des Manitu“ ist nahezu woke-positiv

Im neuen Film „Das Kanu des Manitu“ zeigt der Regisseur und Schauspieler Michael Herbig, wie angenehm unaufgeregt und komisch das Kino auf woke Diskurse reagieren kann.
Jeder woke Aktivist dürfte zufrieden sein, wenn er „Das Kanu des Manitu“ im Kino sieht. Oder, um es weniger zugespitzt zu formulieren: Menschen, die sich gegen verschiedene Arten der Diskriminierung einsetzen, für Feminismus oder sich Gedanken über kulturelle Aneignung machen, werden spätestens nach diesem Filmerlebnis wissen, dass ihre Themen im Mainstream angekommen sind und dort äußerst behutsam und mit freundlichem Humor behandelt werden können. Regisseur Michael Bully Herbig scheint mit jeder Szene sagen zu wollen: Jetzt lasst uns mal die Kirche im Dorf lassen.
Gleich zu Beginn macht der 57-Jährige klar, dass er natürlich mitbekommen hat, worüber (nicht nur) hierzulande in den letzten Jahren heftig gestritten wird, und dass auch er 2025 nicht einfach eine unreflektierte Karl-May-Parodie auf die Leinwand bringen möchte. Da sitzt der von ihm selbst gespielte Winnetou-Verschnitt Abahachi bei einer wohl indigenen Wahrsagerin, die ihn etwas verständnislos darauf anspricht, dass ihn eine Blutsbrüderschaft mit einem alten, weißen Mann verbinde? Abahachi zuckt nur mit den Schultern. Ist eben so. Als sie ihm daraufhin anstrengende Abenteuer und die „schwerste Prüfung“ seines Lebens prophezeit, antwortet er im bayerischen Dialekt: „Äh, eigentlich wollte ich nur wissen, wie das Wetter morgen wird.“
Das ist der erste gute Gag in bester Manier des anarchischen amerikanischen Filmemacher-Gespanns Zucker-Abrahams-Zucker, die zum Beispiel „Die nackte Kanone“ erfanden, die nach gut 30 Jahren gerade eine Neuauflage erlebt und mit „Das Kanu des Manitu“ um die deutsche Zuschauergunst konkurriert. Da stellt sich die Frage, was als Grund für die Fortsetzung von „Der Schuh des Manitu“ nach fast einem Vierteljahrhundert wohl überwogen hat: das offenbar auch an anderen Orten der westlichen Welt aufkommende Gefühl, dass die Welt inmitten von multiplen Krisen wieder sinnfreien Blödsinn braucht? Oder zu zeigen, dass eine liebevolle Hommage an Karl May auch heute noch möglich ist?
Im Interview erklärte Bully Herbig, dass es tatsächlich die sehr aufgeregte und „in meinen Augen polemisch geführte Debatte um Karl Mays Winnetou-Romane und ihre Verfilmungen“ war, die ihn inspiriert habe. Und nach dem Kinoerlebnis muss man sagen: Es ist ihm gelungen, auf die Aufregung mit maximaler Entspannung zu reagieren. Dieser Film ist ein zwar informierter und anspielungsreicher, aber auch absolut harmloser Spaß, an dem man nur mit sehr schlechter Laune etwas auszusetzen haben dürfte.
Natürlich spielt auch das neue Drehbuch wieder mit Klischees, aber es weiß das eben auch und markiert es deutlich. Der ganze Wilde Westen, wie er hier dargestellt wird, ist ja ein Klischee, erdacht im vorletzten Jahrhundert von einem Sachsen, der niemals dort gewesen ist. Bully nutzt ihn als Folie, vor der er sehr deutsche Gags abspult, die zum Beispiel mit dem sächsischen Dialekt des Hilfssheriffs spielen. Der 78-jährige Sky du Mont, der mit dem Film seinen Abschied von der Leinwand feiert, blättert in der Kutsche des von ihm dargestellten Ölbarons angeregt in einem Karl-May-Band. Auch der kurze Rückblick, warum er als vermeintlich im ersten Teil im öligen Schlamm versunkener Superschurke Santa Maria plötzlich wieder da ist, ist wirklich sehr schön absurd komisch.
Mit Jessica Schwarz gibt es im Film den weiblichen Boss einer im Grunde extrem sympathischen Schurkenbande, die sich in einer demokratischen, freien und geheimen Wahl den Namen „Die sieben Geißlein“ gibt. Als eins der männlichen Geißlein sie fragt, ob noch Suppe da sei, rastet sie kurz aus: „Das fragst du mich doch nur, weil ich ’ne Frau bin! Mein Mann war auch so! Aber das hier, das habe ich alles allein aufgebaut!“ Herbig tritt wieder als Abahachis Bruder Winnetouch auf, einem tuntigen Klischee-Schwulen, der aber so anmutig, selbstbewusst und in brenzligen Situationen mutig auftritt, dass der eine oder die andere diese Figur sicher auch als empowernd interpretieren dürfte.
„Hier wird keiner nach seiner Herkunft beurteilt.“Überhaupt ist dieser Wilde Westen praktisch gar nicht mehr von Macho-Männern bevölkert, alle sind äußerst sensibel und im ständigen Austausch über ihre Befindlichkeiten – allen voran natürlich Christian Tramitz als Old-Shatterhand-Verschnitt Ranger, der seinem „Blutsbruder“ plötzlich erklären muss, dass er eine Tochter hat.
Die weißen Figuren sagen im Film zwar immer noch Indianer, aber Abahachi verdreht dann jedes Mal die Augen und schimpft: „Jetzt sagt’s bitte nicht Indianer!“ Was kulturelle Aneignung angeht: Die Gags spielen, wie schon angedeutet, eher im deutschen Dialekt- oder europäischen Sprachraum. Nur Zuschauer, die Französisch verstehen, werden etwa erkennen, dass Abahachi und Ranger auf ihrer neuen Abenteuer-Reise um ein Haar das Bernsteinzimmer gefunden hätten. Und Rick Kavanian ist natürlich wieder als griechisch-stämmiger Dimitri zur Stelle, der gerne die deutsche Grammatik verdreht.
Für das Ende hat Bully eine besonders versöhnliche Szene gebastelt. Da hadert sein Ureinwohner-Charakter mit seiner Identität, denn womöglich ist er gar kein echter Apache. Aber sein Volk, das möglicherweise sogar von echten amerikanischen Ureinwohnern gespielt wird, erklärt ihm, dass das doch gar nichts zur Sache tue: „Hier wird keiner nach seiner Herkunft beurteilt.“ So weit also alles gut in der neuen deutschen Kinowelt.
„Das Kanu des Manitu“, deutsche Komödie, ab jetzt im Kino.
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Berliner-zeitung