Sommersprossen: Warum die Punkte jetzt jeder haben will

22. Juli 1990. Die sechzehnjährige Kate Moss strahlt unbekümmert vom Cover des Magazins “The Face”, in voller Sommersprossenpracht, mit Federschmuck auf dem Kopf. Es war ein ikonisches Shooting der Fotografin Corinne Day: Der unperfekte Look war für viele ein ästhetischer Schock, für andere revolutionierte er die makellose Modelwelt. Es war der Startschuss für ein neues Modejahrzehnt und für Kate Moss’ beispiellose Karriere. Mit Sommersprossen.
Heute sind Kate Moss‘ natürliche Sommersprossen, wie bei so vielen, die sie als Kind noch mit Hassliebe beäugt hatten, weg. Die Mode-Ikone schminkt sie sich ganz einfach wieder drauf. Denn dem Charme des Lichtpünktchen-Looks kann sich heutzutage kaum einer entziehen: Sommersprossen machen nicht nur strahlend-jung, sie zaubern auch gute Laune in und aufs Gesicht. Sogar der Adel trägt seine „Royal Freckles“ mit Stolz – das königliche Sommersprossenpaar Harry und Meghan ist der beste Beweis.

Die heute so begehrten Gesichtspünktchen galten lange als Schönheitsmakel, wurden mühsam überschminkt, mit entsprechenden Cremes gebleicht oder sogar aus Fotos heraus retuschiert. Meghan, die Duchess of Sussex, wehrt sich vehement dagegen: „Don‘t edit my freckles!“ Sie will ihre Sprossen nicht verstecken, ganz im Gegenteil, sie ist stolz darauf, dass ihr Körper sie überhaupt produziert. Meghan, ihr Harry und ihre Freckles gehören damit zu gerade mal rund zwei erlauchten Prozent der Weltbevölkerung!
Vom Makel zum Trend: Stars lieben ihre SommersprossenLaut Meghan bringen Sommersprossen ein Antlitz erst so richtig zum Strahlen: „A face without freckles is a night without stars“ heißt das Buch, das die Herzogin of Sussex bereits 1996 als Teenager veröffentlichte. Schauspielerinnen wie Emma Watson, Sienna Miller und Lindsay Lohan, Supermodel Kendall Jenner und die Musikstars Demi Lovato und Lizzo tragen sie mit Stolz. Laut einer Studie der Partnervermittlung Elitepartner.de findet ein Drittel der Männer die Pünktchen ungeheuer sexy. Andersrum stehen lediglich magere 13 Prozent der Frauen auf sommersprossige Männer. Unbekannte und bekannte Sprossenträger, wie Morgan Freeman oder Matthias Schweighöfer, dürfte dies vermutlich nicht groß stören, sie halten sich einfach an die gut 10 Prozent der Damenwelt-Fangemeinde.

Ein wunderschönes Gesicht mit dem Markenzeichen Sommersprossen hat das Hamburger Model und Insta-Girl Swalina. Swantje Paulina Wördemanns Erfolg zeigt, dass sich die Akzeptanz der Lichtpünktchen zurecht verändert, ja sogar komplett gedreht hat. In ihrer Kindheit wurde Swantje als Fliegenpilz verspottet, dachte, sie würde komisch, fast eklig aussehen. „Ich habe viele Jobs wegen der Sommersprossen nicht bekommen, oft wurden sie überschminkt. Jetzt malen oder tätowieren sie sich Menschen auf die Haut. Ich fände mein Gesicht ohne Sommersprossen heute unendlich langweilig. Würde ich das meinem zehnjährigen Ich sagen, es würde mir den Vogel zeigen!” Sie musste sie erst lieben lernen.
Fake Freckles: So schminken Sie den SommerlookMittlerweile sind alle in Sommersprossen verschossen, sie haben sich zu einem begehrten Summer-Must-Have entwickelt: Springende Pünktchen rund um Nase und Wangen machen den Sommerlook sexy, frech und super natürlich. Nur, nicht jede Haut bekommt solche Bilderbuch-Sprossen. Wer sie nicht hat, sie aber haben will, dem kann dank der Kosmetikindustrie ganz easy geholfen werden: Promi-Make-up-Artistin Sam Chapman verpasst sie ihren Klienten als Frischekick. Visagisten der größten Runway-Shows sind da ganz bei ihr, Beauty-Guru Charlotte Tilbury zaubert sie bei so gut wie jedem ihrer Celebrity-Kunden auf Wangen und Nase. Topmodels wie Elsa Hosk und Kendall Jenner sind bekennende Freckle-Fans.
Kate Moss setzt bei ihren Fake Freckles auf den Lipliner von Pillow Talk, ihrem „pencil of youth“, wie sie ihren zwei Millionen Followern auf Instagram verriet. Wer Kates selbsternannten Lieblingsstift gerade nicht zur Hand hat, greift entweder einen Freckle Pen, den’s mittlerweile in jedem Drogeriemarkt gibt – oder einfach ins Gemüsefach. Ein Brokkoliröschen als Make-Up-Pinsel in Bronze getaucht und dann auf Wangen, Stirn und Nase getupft. Puder drüber. Fertig. Erfunden hat die „brokkoli freckles“ die britische Influencerin Abigail Jones, bekannt unter abis_skincare – ihr Beauty-Hack macht auf TikTok gerade groß die Runde.

Pippi Langstrumpf, das stärkste Mädchen der Welt, erschien 1949 – und brachte es auf den frechen Sommersprossenpunkt: „Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.“ Man darf davon ausgehen, dass sich die erwachsene Pipilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf in diesem Sommer ebenfalls jede Menge Fake-Freckles ins Gesicht gemalt hätte.
Epheliden oder Sommersprossen sind eine Form der Hyperpigmentierung, an Stellen, die der Sonne ausgesetzt werden – im Gesicht, auf Dekolleté, Schultern, Armen und Händen. Sprossen, da sie im Sommer „sprießen“, und dann auch mehr und sichtbar werden. Ursache ist ein harmloser MC1R-Gendefekt, bei dem sich rötliches Phäomelanin punktuell in der Haut ansammelt.
Winterruhe: Ein saisonales PhänomenWenn die Sonne verschwindet, verschwinden auch die Sommersprossen, aber meist nicht vollständig. Die kleinen, nicht erhabenen Pigmentflecke, verändern in der dunklen Jahreszeit ihre Farbe, werden blasser und weniger zahlreich, im Frühling sind sie wieder deutlicher zu sehen.
Einzigartigkeit: Jede Sprosse ein UnikatWie eine Schneeflocke, ist auch jede Sommersprosse unique. Das gilt für die Farbe – die typische Sprosse ist rötlich bis braun – und für die Form, die einen Durchmesser von einem bis fünf Millimetern hat. In Kombi aus Farbe und Form ist jede Sprosse weltweit einmalig.
Schwangerschaft: Hormonelle EinflüsseSchwangere haben mehr Sommersprossen, da sich die Hormonkonzentration verändert. Nach der Geburt geht die Sommersprossenanzahl wieder zurück. Und ja: Sommersprossen sind vermutlich von Generation zu Generation vererbbar.
Babys & Hauttypen: Wer bekommt sie?Kein Kind kommt mit Sommersprossen auf die Welt. Sommersprossen entwickeln sich erst ab dem 3. oder 4. Lebensjahr, oft in der Grundschulzeit, und können sich in der Pubertät zurückbilden. Laut der Fitzpatrick-Skala (1975) treten sie nur bei den hellen Hauttypen 1 („keltisch“) und 2 („nordisch“) auf. Sonnencreme verhindert meist, dass sie stark nachdunkeln.
Urvölker: Die ersten mit SommersprossenNeandertaler waren vermutlich die ersten Sommersprossigen. Mindestens ein Prozent der Neandertaler in Europa hatten möglicherweise rote Haare, eine empfindliche Haut und häufig auch viele Sommersprossen.
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