So kommen Sie gegen den Herbstblues an – elf Tipps für mehr Energie

Unter den vier Jahreszeiten ist der Herbst die fünftbeliebteste. Kann weg, heißt es allenthalben. Selbst der Winter hat seine Fans, Frühling und Sommer sowieso, die eitlen Superstars im Jahresreigen. Aber der Herbst? Mit seinen zugigen Nachmittagen – so kalt wie blaue Augen, die dich nicht mehr lieben? Macht keinen Spaß.
Herbst ist, wenn die Zeiten draußen härter und die Menschen drinnen weicher werden. Herbst ist, wenn einen diese schweflige Bettschwere überkommt. Der Österreicher spricht von „Fadesse“. Fadesse ist der Zustand kraftloser Bettreife wenige Sekunden nach dem Aufstehen, wenn einen nur die jahrelange Gewohnheit und ein unvermuteter Restwille in die Lage versetzen, eine Hose anzuziehen.
Herbst ist Rückzug. Die Pflanzensäfte ziehen sich zurück in Stämme und Wurzeln, das Laub beginnt zu welken. Die Menschen ziehen sich zurück in Betten und Kneipen, die Seele beginnt zu welken.
Tun wir etwas dagegen! Ich liebe den Herbst. Endlich ist dieser Zwang weg, sich stimmungsmäßig des strahlenden Sonnenscheins als würdig zu erweisen. Frühling kann jeder! Die Kunst ist es, auch im Herbst stabil zu bleiben. Hier kommen elf Tipps für spätes Glück im Jahr:

Die Idee der Natur, einmal pro Jahr alle Blätter bunt einzufärben und dann von den Bäumen zu pusten, ist genial! Da muss man schon ein bisschen angeschädelt sein, um sich so etwas Putziges auszudenken. Das Konfetti der Natur! Herbstlaub ist wie Feuerwerk in Ultrazeitlupe. Genießen Sie das Spektakel. Und gegen Laubpuster morgens um halb sieben hilft Ohropax.

Natürlich: Drinnen ist es schön. Mein Körper braucht kein Sonnenlicht. Ich arbeite nicht mit Photosynthese, ich arbeite mit Steak und Pommes. Aber: Schlechtes Wetter sieht durch Fenster betrachtet immer schlimmer aus, als es tatsächlich ist. Gehen Sie raus, atmen Sie tief durch. Und laufen Sie auch mal ohne Kind Laterne. Das Laternelaufen schreibt sich übrigens in einem Wort wie das Sackhüpfen. Andererseits geht man Laterne und pustet Laub, hüpft aber nicht Sack.
Davon abgesehen: Selbst trübes Regentageslicht wirkt gegen Stimmungstiefs besser als jede Lampe. Klagen Sie nicht über das ewige Thema Wetter. „Die Menschheit wird niemals Frieden finden, bis jeder sein eigenes Wetter mit sich herumträgt“, schrieb Jerome K. Jerome.

Die Zugvögel machen sich auf nach Süden. Fliegend natürlich, nicht mit der Bahn. Der Name täuscht. Wenn Zugvögel mit der Bahn führen, hätten sie spätestens an der Schweizer Grenze ein Problem. Betrachten Sie die perfekten Formationen am Himmel. Schicken Sie ihnen Ihre Gedanken hinterher. Welcher Vogel möchten Sie sein? Es ist in Ordnung, nicht immer der Leitvogel sein zu wollen. Die Welt braucht auch glückliche Folgevögel.

Gewiss: Es ist besser, sich innen aufzuhalten, als nutzlos im Garten herumzustehen wie J.D. Vance in einem amerikanischen Schnellimbiss. Aber: Bewegung im Freien schüttet Endorphine aus. Endorphine sind im Körper, was der Honig im Tee ist. Schon einfache Yogafiguren helfen – wie etwa „Das zerschlagene Flusspferd“ oder „Der schwankende Kugelfisch“.

Es gibt nur wenig, was so viel Hitze ausstrahlt wie ein zorniges vierjähriges Kind. Leider ist es aus rechtlichen Gründen nicht möglich, gastronomische Außenbereiche mit zornigen vierjährigen Kindern zu beheizen. Stattdessen greifen Wirte auf den Heizpilz zurück (lat. Fungus glühmaticus).
Das Problem des Heizpilzes ist seine enge Komfortzone. Wer zu nah dran sitzt, bekommt nach zehn Minuten eine schmackhafte Kruste – er wird quasi zum lebensgroßen Dönerspieß mit alles und scharf. Wer zu weit weg sitzt, kann zu einem Eisblock gefrieren und muss dann wieder aufgetaut werden – 20 Minuten bei 200 Grad Umluft (Folie vorher entfernen). Energetisch ist der Heizpilz also Wahnsinn – quasi ein senkrecht stehendes SUV.
Alternativ: Setzten Sie sich in Blümchenshorts und T-Shirt vor die geöffnete Backofentür und hören Sie „Vamos a la playa“ und „Sunshine Reggae“ im Wechsel. Statt mit Sonnenmilch können Sie sich auch mit Grafschafter Goldsaft einreiben (Lichtschutzfaktor 2).

Das gruseligste kulturimperialistische Ereignis des Herbstes ist Halloween, ein US-Konsumanlass, bei dem zweierlei ausgehöhlt wird: Kürbisse und hiesige Traditionen. Dazu gibt es Süßigkeiten und Gekreisch. Zwei Elemente, mit denen Kinder selbst dunkelste Jahreszeiten gut überstehen. Überwinden Sie Ihre natürliche Abscheu und umarmen Sie das Fest. Es wird ohnehin nicht mehr weggehen.

Durchsage neulich im Supermarkt: „Mal bitte sechs Liter Doornkaat aus dem Lager!“ Sechs Liter? Mein erster Gedanke war: „Tja, wer trifft sich da wohl – das Bundeskabinett? Der Volkswagen-Aufsichtsrat? Die SPD in Sachsen-Anhalt?" Gönnen Sie sich, was Sie gern essen oder trinken. Besonders wichtig im Herbst: Vitamin D, Omega-3-Fettsäure und B-Vitamine. Perfektes Herbstessen: Matjes mit Kartoffeln, Kräuterquark und Leinöl. Zur Not geht aber auch Toffifee.

Zu den wenigen Segnungen der düsteren Jahreszeit gehört, dass die Hässlichkeit so manchen Dorfes zumeist dem gnädigen Deckmantel der Dunkelheit überantwortet bleibt. Ich wohne selbst außerorts. Ich spüre die Grenzen dieses Lebensentwurfs besonders im Herbst, wenn ich auf dem Heimweg kommunale Trostlosigkeiten durchquere, bei denen ich jedes Mal denke: So fangen „Tatorte“ an.
Tun wir etwas dagegen! Früher wurden deutsche Dörfer nächtens von lilafarbenem Grünpflanzenlicht erhellt. Das sah aus, als sei jedes dritte Haus eine insolvente Schlachterei. Heute werden millionenfach LED-Streifen ausgerollt, als rechne man jederzeit damit, dass im Flur ein Airbus landet. Gut so! Lumen, Watt und Kelvin sind meine Freunde. LEDs sind das Methadonprogramm für Pyromanen. Die Menschheit beleidigt sich gern direkt, aber beleuchten tut sie sich lieber indirekt.

Irgendwann wird es wieder hell. Seien Sie vorbereitet. Entwickeln Sie Ausflugs- und Reisepläne. Lassen Sie sich vom Kopfkino auf die Insel der Vorfreude schicken.

Lesen Sie sich ins Glück der Erkenntnis! Schauen Sie Liebeskomödien! Und hören Sie mal wieder bewusst Musik. Hier kommt eine melancholische Herbst-Playlist abseits der Charts: „Fresenhof“ (Knut Kiesewetter), „Herbstlied“ (David Lübke), „Fields Of Gold“ (Sting), „Running On Empty“ (Jackson Brown), „Wenn es dunkel und kalt wird in Berlin“ (Element of Crime), „Winter Winds“ (Mumford & Sons), „Girl From The North Country“ (Bob Dylan & Johnny Cash), „Ride On“ (Christie Moore), „Golden Heart“ (Mark Knopfler), „Land Unter“ (Herbert Grönemeyer).
Hier finden Sie die Playlist „Musik für den Herbst” bei Apple Music:
Hier finden Sie die Playlist „Musik für den Herbst” bei Spotify:
Das muss man nicht groß erklären. „Genug schlafen“ heißt: nicht weniger als sieben Stunden. Alles andere ist nicht Schlafen, sondern Blinzeln. „Drei Dinge helfen, die Mühseligkeiten des Lebens zu tragen“, soll Immanuel Kant notiert haben – „die Hoffnung, der Schlaf und das Lachen“. Vielleicht war es aber auch Albert Einstein. Oder Hulk Hogan. Das Internet tendiert hier uneinheitlich. Halten Sie sich nicht mit Kleinigkeiten auf. Schlafen Sie.
Schönen Herbst!
Hinweis: Manchmal verbirgt sich hinter dem Euphemismus „Herbstblues“ nur eine harmlose Stimmungsschwankung, manchmal aber auch ein echtes klinisches Tief. Appetitverlust, keine Freude mehr an Lieblingsdingen, lähmende Kraftlosigkeit, kreisende Gedanken und Ängste können Anzeichen einer Depression sein. Die Krankheit ist behandelbar. Holen Sie sich Hilfe! Habe ich nur schlechte Laune oder schon Symptome einer Depression? Ein Selbsttest ist auf der Homepage der Deutschen Depressionshilfe zu finden. Was Patienten wissen sollten und was sie trösten kann, steht hier.
Unter der Stiftungstelefonnummer (0800) 3344533 bekommt man ebenfalls Hilfe. Montag, Dienstag, Donnerstag: 13 bis 17 Uhr. Mittwoch und Freitag: 8.30 bis 12.30 Uhr. Auch die Telefonseelsorge Deutschland bietet allen Menschen Unterstützung an, die einsam sind oder trauern, in einer Lebenskrise stecken oder von Suizidgedanken gequält werden. Tagsüber und nachts kann man anonym anrufen unter: (0800) 1110111 oder (0800) 11110222 oder 116123.
rnd