So versteht das Gehirn den Unterschied zwischen Traum und Realität

Forscher wissen seit langem, dass eine Gehirnregion namens Gyrus fusiformis sowohl bei realen als auch bei imaginären Bildern aktiv ist. Diese Studie ergab jedoch, dass das Aktivitätsniveau in dieser Region eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung spielt, ob das Gehirn etwas als real wahrnimmt.
Der Gyrus fusiformis ist an der visuellen Verarbeitung höherer Ebenen beteiligt, beispielsweise an der Gesichtserkennung und der Objektwahrnehmung. Laut der Forschung ist das Signal in dieser Region bei Vorstellungskraft schwächer, während es bei realer Wahrnehmung stärker ist. Das Gehirn interpretiert Aktivität über einem bestimmten Schwellenwert als „real“.
Um dieses Ergebnis zu erzielen, zeigten die Wissenschaftler 26 Teilnehmern diagonale Linien auf einem dynamischen Bildschirm und fragten sie, ob sie die Linien sehen oder nicht. Gleichzeitig wurden die Teilnehmer gebeten, sich bestimmte Linien vorzustellen. Manchmal stimmten diese imaginären Linien mit den realen Linien auf dem Bildschirm überein, manchmal unterschieden sie sich.
Die Forscher entdeckten, dass die Teilnehmer glaubten, Linien zu sehen, wenn die imaginären Linien mit den tatsächlich auf dem Bildschirm sichtbaren übereinstimmten, obwohl keine Linien auf dem Bildschirm zu sehen waren. Mit anderen Worten: Wenn sich das Gehirn ein erwartetes Bild vorstellt, nimmt es es so wahr, als wäre es real.
Bei der Überwachung der Aktivität in verschiedenen Hirnregionen mittels fMRT-Bildgebung zeigte sich, dass der Gyrus fusiformis sowohl bei imaginären als auch bei realen Wahrnehmungen stets aktiv war. Erst wenn die Aktivität ein bestimmtes Niveau überschritt, akzeptierte das Gehirn sie als real.
Es wurde auch beobachtet, dass mit zunehmender Aktivität auch die vordere Inselrinde, der für Entscheidungsfindung und Problemlösung zuständige Bereich des Gehirns, aktiv wurde. Dies deutet darauf hin, dass die vordere Inselrinde das vom Gyrus fusiformis kommende „Realitätssignal“ auswertete.
Eine Einschränkung der Studie war die Einfachheit der verwendeten visuellen Reize. Die Forscher wollen in Zukunft ähnliche Experimente mit komplexeren visuellen Reizen wie Gesichtern, Objekten oder Tieren durchführen. Sie werden auch testen, ob zeitlich auf das Gehirn abgestimmte Reize als Wahrnehmung gewertet werden können.
Die Entdeckung liefere eine überraschend einfache Erklärung für die Unterscheidung zwischen Fantasie und Realität, sagte der Neurowissenschaftler Thomas Pace, der das Thema unabhängig untersucht hat. Die Ergebnisse könnten auch ein wichtiger Schritt zum Verständnis der Mechanismen hinter komplexen Erfahrungen wie Halluzinationen sein, sagte er.
SÖZCÜ