Nia Thomas erfindet Resortwear neu
Manche Menschen verbringen ihr ganzes Leben damit, sich ihren Leidenschaften zu widmen. Für Nia Thomas hingegen scheint ihr Schicksal von Anfang an vorbestimmt. Aufgewachsen auf Long Island, New York, half sie abends ihren Tanten in deren Änderungsschneiderei und lernte dabei durch Design genauso viel über die Welt wie in jedem Klassenzimmer. Im Familiengeschäft reiste sie anhand von Vintage-Schnittmustern durch verschiedene Epochen der Geschichte und entdeckte anhand der Texturen und Farben unzähliger Stoffballen verschiedene Kulturen.
Jahre später manifestierten sich all diese Erkenntnisse in ihrer gleichnamigen Resortwear-Marke. Rastlos und eifrig eröffnete sie mit 23 Jahren ihr eigenes Label. Motiviert von der Reiselust und der Hoffnung, mehr schwarze Designerinnen in der Modewelt zu sehen, strahlte Thomas in ihren frühen Designs Leichtigkeit und Gelassenheit aus. „Ehrlich gesagt wollte ich mich damals einfach wie im Urlaub fühlen“, bestätigt sie scherzhaft. Handgehäkelte Kleider und Bikinis sowie muschelverzierte Designs in Weiß- und Cremetönen wurden schnell zu Klassikern und Bestsellern der jungen Marke. Von da an fügte sich alles zusammen.
„Alles ging so schnell“, sagt sie. „Ich habe von der Organisation einer kleinen Modenschau bis 3 Uhr morgens eine Website erstellt, damit die Leute meine Designs kaufen konnten.“ Wenn sie an ihre Anfänge als Designerin zurückdenkt, führt sie ihre Furchtlosigkeit teilweise auf Naivität zurück. Dennoch motiviert sie ihre Geschichte bis heute. „Man kann das in jedem Alter schaffen“, sagt sie. „Man muss nur ein bisschen skeptisch sein und wissen, dass einen nichts aufhalten kann.“
Dieses Gefühl beschreibt auch den Entstehungsprozess ihrer Herbstkollektion 2025. Majestätische Blau-, Lila- und Rottöne wichen von ihren üblichen neutralen Farben ab. „Ich liebe warmes Wetter und reise gerne an Orte mit viel Kultur und Farbe“, sagt Thomas. Doch ihre Kollektion war auch voller Widersprüche. Neckholder-Tops wurden aus Lederkordeln handgehäkelt, während lange Mäntel und Bolero-Jacken aus Papierbast über den Laufsteg fegten – und uns zeigten, dass Resortwear immer und überall getragen werden kann. „Wenn die Leute an Materialien wie Bast denken, denken sie automatisch an eine Strohtasche, die man mit an den Strand nimmt“, sagt Thomas. „Aber ich sage: ‚Nein, die kann man im Herbst als Mantel tragen‘, weil ich die Vorstellungen der Leute, wofür diese Materialien verwendet werden können, hinterfragen möchte.“
Thomas hatte Ende letzten Jahres einen Pop-up-Store im angesagten Resort Palm Heights auf Grand Cayman, und ihre Kollektion wird bei Moda Operandi verkauft. Obwohl ihre makellosen Häkeldesigns in keinem der White Lotus Resorts fehl am Platz wären, lässt sie sich nicht in eine Schublade stecken. „Ich möchte nicht nur für Resortwear bekannt sein; ich habe das Gefühl, dass es einfach bei den Leuten Anklang findet. Trotzdem bin ich froh, denn es gibt so viele Designer, die Jahre damit verbringen, ihre eigene Handschrift zu finden“, sagt sie. „Resortwear hat mich gewählt, nicht ich.“
Eine Version dieser Geschichte erscheint in der Sommerausgabe 2025 von ELLE.
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