27 Millionen Tonnen Nanoplastik, das gefährlichste davon, schwimmen im Nordatlantik.

Nanoplastik besteht aus extrem kleinen Partikeln (1 bis 100 Nanometer, kleiner als Hausstaubmilben), die sich gerade aufgrund ihrer Größe leicht an viele Stellen „einschleichen“ können: Sie schweben in der Atemluft, durchdringen unsere Zellbarriere und setzen sich in unseren Organen fest. Sie können uns auch indirekt über das Fleisch oder Gemüse erreichen, das wir essen. Das Problem: Sie sind so klein, dass Wissenschaftler selbst Schätzungen kaum vornehmen können; und das Problem verschärft sich, da der täglich anfallende Plastikmüll durch den Zerfall größerer Partikel in kleinere Teile noch weiter verschärft wird.
Nun hat ein Wissenschaftlerteam erstmals geschätzt, wie viele Nanoplastikpartikel sich allein im Nordatlantik befinden. Die Daten sind nicht ermutigend: Insgesamt 27 Millionen Tonnen dieser Partikel schwimmen in dem Streifen, der sich vom Ende des Arktischen Ozeans bis zum Äquator erstreckt und mehrere spanische Küsten umfasst. Das bedeutet, dass es mehr dieser winzigen Plastikpartikel gibt als Makro- und Mikroplastik im gleichen Gebiet. Die Ergebnisse wurden soeben in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.
Kunststoffe gelangen über Flüsse ins Meer. Doch das ist nicht der einzige Weg: Nanoplastik gelangt auch über die Luft in die Meere, als Schwebeteilchen mit dem Regenwasser oder als „trockener Kot“. Dort zersetzen sich die größeren Kunststoffe unter dem Einfluss des Meeres und verwandeln sich in Nanopartikel, die bekanntermaßen Meerespflanzen und -tieren direkt schaden. Sie setzen sich auch auf dem Meeresboden ab, wo sie in manchen Fällen Jahrzehnte, Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende überdauern können.
Die Messung von Nanoplastik war bisher jedoch nahezu unmöglich: Nur wenige Studien konnten sie in Meeresumwelt nachweisen, wobei der Schwerpunkt auf Küstengewässern und der Meeresoberfläche lag. Die Schwierigkeiten ergeben sich aus der geringen Größe von Nanoplastik, deren geringe Masse und chemische Zusammensetzung sich von größeren Partikeln unterscheiden. Um Nanoplastik von der Vielzahl natürlich vorkommender Partikel im Ozean zu unterscheiden, müssen Wissenschaftler Methoden entwickeln, um sie aus diesem marinen „Gemisch“ zu extrahieren und sie anschließend mit fortschrittlichen Analysetechniken nachzuweisen und zu quantifizieren.
Um eine Schätzung vorzunehmen, entnahm die Gruppe um Dušan Materić vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (Deutschland) in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern des National Oceanography Centre in Großbritannien im Jahr 2020 bei zwölf Stopps Proben aus verschiedenen Gewässern in unterschiedlichen Tiefen. Die Probe wurde von Sophie ten Hietbrink, einer Masterstudentin der Universität Utrecht, entnommen, die einen Monat an Bord des Forschungsschiffs RV Pelagia verbrachte. Die Proben wurden anschließend gefiltert, um alles Material zu entfernen, das größer als ein Mikrometer (1.000 Nanometer) war. Anschließend wurde die Arbeit im Labor fortgesetzt. „Indem wir das verbleibende Material trockneten und erhitzten, konnten wir die charakteristischen Moleküle verschiedener Kunststoffarten mittels Massenspektrometrie messen“, sagt Ten Hietbrink.
Sie fanden heraus, dass die durchschnittliche Konzentration von Nanoplastik an der Meeresoberfläche, insbesondere in einer Tiefe von 10 Metern, etwa 18,1 Milligramm pro Kubikmeter Wasser beträgt. Proben in Bodennähe wiesen jedoch eine geringere Nanoplastikkonzentration von 5,5 Milligramm pro Kubikmeter auf. Die höchste Konzentration wurde in Küstennähe festgestellt, wo sie bis zu 25 Milligramm pro Kubikmeter Wasser erreichte. Auf Grundlage dieser Ergebnisse schätzten Materić und seine Kollegen die Gesamtmenge der Nanoplastikverschmutzung in den oberen 10 Metern Wassertiefe des Nordatlantiks auf 27 Millionen Tonnen. Dies entspricht der Menge, die frühere Schätzungen für den gesamten Ozean bis zum Südpolarmeer angenommen hatten (12 Millionen Tonnen PET, 6,5 Millionen Tonnen PS und 8,5 Millionen Tonnen PVC).
„Diese Schätzung zeigt, dass in diesem Teil des Ozeans mehr Plastik in Form von Nanopartikeln schwimmt als in größerem Mikro- oder Makroplastik im Atlantik oder sogar in allen Weltmeeren“, sagt Helge Niemann, Forscher am Königlich Niederländischen Institut für Meeresforschung (NIOZ) und Professor für Geochemie an der Universität Utrecht.
Die Folgen all dieser Partikel in diesen Mengen im Wasser könnten gravierend sein, betont Niemann. „Wir wissen bereits, dass Nanoplastik tief in unseren Körper eindringen kann. Man findet es sogar im Gehirngewebe. Da wir nun wissen, dass es in den Ozeanen nahezu allgegenwärtig ist, ist es auch offensichtlich, dass es das gesamte Ökosystem durchdringt: von Bakterien und anderen Mikroorganismen über Fische bis hin zu großen Raubtieren wie dem Menschen. Es bedarf weiterer Forschung darüber, wie sich diese Verschmutzung auf das Ökosystem auswirkt.“
In Zukunft wollen Niemann und seine Kollegen auch die verschiedenen Kunststoffarten weiter untersuchen, die bisher nicht in der Größenordnung von einem Mikrometer oder kleiner gefunden wurden. „Beispielsweise haben wir unter den Nanoplastiken weder Polyethylen noch Polypropylen gefunden. Es ist durchaus möglich, dass diese in der Studie durch andere Moleküle maskiert wurden. Wir möchten auch wissen, ob Nanoplastik in anderen Ozeanen ebenso häufig vorkommt. Wir befürchten, dass dies der Fall sein könnte, aber das bleibt abzuwarten.“
Der Forscher betont, dass die Menge an Nanoplastik im Meerwasser ein wichtiges fehlendes Puzzleteil war, gegen das man nun nichts mehr tun kann. „Die vorhandenen Nanoplastikpartikel können niemals beseitigt werden. Daher ist eine wichtige Botschaft dieser Forschung, dass wir zumindest eine weitere Plastikverschmutzung unserer Umwelt verhindern sollten.“
ABC.es