Warum Sport und Mode aktuell so eng verbunden scheinen wie nie zuvor
Sport und Mode: Ein Dream-Team, das aktuell zur Höchstform aufläuft
Eine symbiotische Beziehung ist eine enge, wechselseitig vorteilhafte Verbindung. Das trifft auch bei der Liaison zwischen Sport und Mode zu. Vor allem die jüngsten Entwicklungen zeigen, warum sie sich in vielerlei Hinsicht perfekt ergänzen. Klar, Athlet:innen benötigen in der Regel eine spezielle Ausrüstung, um ihre Sportart optimal ausüben zu können. Tatsächlich sollen die ersten Fußballschuhe auf Heinrich VIII. von England zurückgehen, der bereits im 16. Jahrhundert seine königlichen Füße beim Ballspielen schützen wollte.Aber das ist nur einer der Aspekte, warum sich der Sportartikelmarkt zu einem multimilliardenschweren Business entwickelt hat.
Ende 2024 sollen Adidas, Nike und Puma gemeinsam auf einen Unternehmenswert von über 165 Milliarden US-Dollar kommen. Ein Wert, der nicht rein auf den Verkauf von funktionaler Sportswear zurückzuführen ist. Längst sind Hoodie, Jogginghose und Sneaker zu Lifestyle-Produkten avanciert, die abseits von Sportplatz oder Turnhalle getragen werden. Und längst haben sich eigene Begrifflichkeiten für jene vom Sport inspirierten Stilrichtungen etabliert. So schien 2024 Tenniscore (auch dank Zendayas aufmerksamkeitsstarker Pressetour für den Film "Challengers") allgegenwärtig und wurde im Sommer durch Blokecore ergänzt – eine Ästhetik, die an den Fandom im Fußball angelehnt ist und vornehmlich auf modischen Interpretationen von Trikots basiert. Auf Instagram finden sich unter #blokecore über 113 000 Beiträge, TikTok zählt dafür über eine Milliarde Aufrufe. In Deutschland waren die Suchanfragen bei Google zu "Trikot" im Juni 2024 so hoch wie seit zehn Jahren nicht. Erklärt wird das mit einem "Aufstieg des Fußballs innerhalb der Popkultur".
Es stimmt schon: 2024 war das Sportjahr schlechthin. Ein Event jagte das nächste, was im Sommer schließlich in der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland und den Olympischen Spielen in Paris gipfelte. Rapper Snoop Dogg, quasi das inoffizielle Maskottchen der Spiele, lieferte mit seinen Auftritten und den entsprechenden Looks die perfekte Vorlage für zahlreiche Memes, die auch von Nicht-Sportbegeisterten geteilt wurden.
Sport euphorisiert und emotionalisiert. Sport schafft Momente, die verbinden – und das in Echtzeit. Denn: In Zeiten, in denen lineares Fernsehen nach und nach von Streaming-Portalen abgelöst wird, wird Sport immer noch von zahlreichen Menschen live im TV verfolgt. Wer mitreden will, muss zuschauen – oder am besten live vor Ort sein. Eine Tatsache, die für Marken wertvoll sei, wie ein Experte der Unternehmensberatung Pricewaterhouse Coopers (PwC) gegenüber "Business of Fashion" erklärt.

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Von Katharina Fuchs
Kein Wunder also, dass laut PwC der Markt für Sportsponsoring von 63,1 Milliarden Dollar im Jahr 2021 auf 109,1 Milliarden Dollar im Jahr 2030 anwachsen soll. Und so titelt das Branchenmagazin in einem weiteren Artikel, dass die Obsession der Mode mit Sport kein Zufall sei. Vielmehr ist es ein kluger, strategischer Move, bei dem es nicht nur darum geht, neue potenzielle Kund:innen über den Sport mit der Marke bekannt zu machen. Live-Charakter, Emotionen, Siegeswillen, "Beste der Besten"-Mentalität sollen auf die Fashion abstrahlen – und das generieren, was in übersättigten Zeiten immer wichtiger wird für Modemarken: ein besonderes Image – und eine nachhaltige Form der Begehrlichkeit, die nicht nur durch gutes Design entsteht.
Statt mit anderen Unternehmen um das traditionelle Sponsoring auf Trikots oder um Bandenwerbung zu konkurrieren, haben zahlreiche Modemarken andere – teils subtilere – Wege gefunden, sich die Beliebtheit und Reichweite des Sports zunutze zu machen. Authentizität spielt dabei eine entscheidende Rolle. Denn nicht jede Sportart passt zu jeder Modemarke.
Die Schweizer Uhrenmarke TAG Heuer, die 2019 noch über 100 Verträge mit unterschiedlichen Mannschaften oder Turnieren hatte, reduzierte dieses Engagement 2023 auf 20 Kooperationen – darunter auch die Formel 1, mit der bereits seit den Siebzigern eine enge Beziehung besteht (wo sonst spielt Zeit in Kombination mit technischen Meisterleistungen eine so große Rolle?). Im Oktober 2024 gab Chanel bekannt, das Unternehmen werde zukünftig eine Partnerschaft mit dem ältesten Sportereignis in Großbritannien eingehen: dem Ruderrennen zwischen den Universitäten Oxford und Cambridge auf der Themse. Die Zusammenarbeit sei dabei "Ausdruck einer gemeinsamen Philosophie, nämlich das kompromisslose Streben nach Spitzenleistungen, das auf kollektiver Anstrengung beruht, um erfolgreich zu sein", wie es in einer offiziellen Pressemitteilung heißt.
Welche Sportarten sind für die Verbindung zur Mode besonders beliebt?Trotz aller Spezialisierung und Fokussierung ist es dennoch der Fußball, der eine besondere Anziehungskraft auf die Mode bewirkt. Aber 5,38 Millionen Zuschauende beim WM-Finale 2023 der Frauen und 21,64 Millionen beim EM-Finale 2024 der Männer sprechen für sich. Für das Turnier in Australien und Neuseeland im vergangenen Jahr entwarf etwa Designerin Martine Rose in Zusammenarbeit mit Nike die viel besprochenen Anzüge und Schuhe des US-Frauenteams. Dass die FIFA, der aufgrund von Korruptionsvorwürfen und mangelnder Transparenz in die Kritik geratene Fußball-Weltverband, im Frühjahr 2025 mit "FIFA 1904" eine eigene Modelinie launchen will, scheint da ein konsequenter Schritt.
Und doch sind es nicht die Mannschaften oder Verbände, die aktuell die größte Aufmerksamkeit generieren. Es sind die einzelnen Sportler:innen. Cristiano Ronaldo und Lionel Messi führen das Ranking der beliebtesten Instagram-Accounts weltweit an. Gemeinsam kommen sie auf über eine Milliarde Follower:innen – und stellen damit sogar Popstars wie Selena Gomez, Ariana Grande oder Beyoncé in den Schatten. Athlet:innen sind zu eigenständigen Marken avanciert, und wie für diese üblich, geht es ihnen darum, sich möglichst vorteilhaft zu positionieren.
Die Verbindung von Sport und Mode geht schon in die Neunzigerjahre zurückMode kann dabei ein hilfreicher Faktor sein. Einer, der sich monetär auf potenzielle Kooperationspartner:innen auswirken kann. Aber eben auch einer, der die Beziehung zur eigenen Fanbase beeinflussen kann. Denn: Die junge Generation an Sportfans ist nicht mehr ausschließlich an der Leistung ihrer Idole interessiert. Sie verfolgen ihr Leben auf Social Media, wollen Teil ihres Alltags und ihnen so nah wie möglich sein. Ein Mittel dafür ist, ihnen modisch nachzueifern.
Natürlich sind modeaffine Sportler:innen nichts Neues, man denke nur an Michael Jordan in den Neunzigern oder David Beckham in den Nullerjahren. Der ehemalige American-Football-Spieler Deion Sanders, der während seiner aktiven Zeit in den 1990ern wegen seines auffälligen Modestils den Spitznamen "Neon Deion" erhielt, soll einst gesagt haben: "Wenn du gut aussiehst, fühlst du dich gut, wenn du dich gut fühlst, spielst du gut, wenn du gut spielst, zahlen sie gut." Damit war er eine Art Vordenker, denn es dauerte noch eine ganze Weile, bis Modebegeisterung den Spieler:innen nicht mehr negativ ausgelegt wurde. Lange sah man es als Ablenkung vom Training an, wenn ein:e Athlet:in für Fotoshootings vor der Kamera stand. Heute mutet es beinahe seltsam an, wenn sie keine Kooperationen mit Labels vorweisen können.
Mehr als nur Testimonials: Sportler:innen wollen die Mode mitgestaltenNun hat auch das Maß der Professionalisierung deutlich zugenommen. Erst vor wenigen Monaten wurde bekannt, dass die National Football League (NFL) mit Kyle Smith erstmals einen eigenen Moderedakteur angestellt hat – als Reaktion auf "die schnell wachsende Bedeutung der Mode im Sport und das allgegenwärtige, leidenschaftliche Interesse daran, wie sich die Athlet:innen kleiden", wie es in einem Artikel der US-VOGUE dazu heißt. Darin wird auch ein Marketing-Verantwortlicher der NFL zitiert, der die Ernennung Smiths als Teil einer "helmets-off strategy" bezeichnet, die darauf abziele, Spieler als vielschichtige Persönlichkeiten darzustellen. Smith selbst spricht davon, dass es den modebegeisterten Sportler:innen darum gehe, mehr zu tun, als sich nur anzuziehen. "Sie wollen die Mode mitgestalten", so Smith.
So wie Naomi Osaka bei den US Open 2024, als sich die Tennisspielerin in einem neongrünen Schleifen-Ensemble von Nike und Designerin Yoon Ahn zeigte, das Osaka selbst mitdesignt hatte. Ahn schrieb auf Instagram zu der Zusammenarbeit: "Oft sehen wir Athlet:innen als eindimensional und an ihren Sport gebunden, aber mir ging es darum, die verschiedenen Facetten ihrer Persönlichkeit und ihres Stils zu erforschen."
Jannik Sinner mit einer Duffle-Bag von Gucci
Ein weiterer Tennis-Fashion-Moment aus der jüngeren Vergangenheit: Als der damalige Weltranglisten-Achte Jannik Sinner im Juli 2023 den grünen Rasen des renommiertesten Tennisturniers in Wimbledon betrat und keine funktionale Sporttasche über der Schulter trug – sondern eine Duffle-Bag von Gucci mit dem Monogrammprint der italienischen Marke. Schätzungen zufolge hatte dieser Auftritt alleine einen Media-Impact-Value von 2,9 Millionen US-Dollar.
Im Frühjahr 2025 wurde bekannt, dass Tennis-Spielerin Coco Gauff gemeinsam mit Miu Miu und New Balance eine exklusive Capsule Collection launchen wird, deren Pieces sie bei den Turnieren in Rom, Berlin und Cincinnati auf dem Platz tragen wird und die dann schließlich passend zu den US Open im September in den Geschäften erhältlich sein wird. Coco Gauff, die bei der Kollektion den beiden Marken beratend zur Seite stand, sagte im April gegenüber der VOGUE US: "Es sind insgesamt drei Turnier-Looks. Ich habe ihnen gezeigt, welche Silhouetten ich mag, und wir haben das als Ausgangspunkt genommen. Wir haben uns gefragt: Was können wir im Tennis machen, was entweder noch nie oder nur sehr selten gemacht wurde?" Was die Tennisspielerin bei ihrem Sieg der French Open im Juni zum Fototermin mit ihrem Pokal trug? Natürlich Miu Miu.
Coco Gauff im Juni 2025 nach dem Gewinn der French Open – in einem Look von Miu Miu.
Doch es gibt vermutlich kein anderes Phänomen, das die neuartige Beziehung zwischen Mode und Sport besser offenbart als der "Tunnel Walk": Lange Zeit lediglich der Weg zur Umkleide und zurück – und jetzt eine Art Laufsteg. So schreibt auch die US-VOGUE, dass sich der Tunnel der amerikanischen Basketball-Profiliga für Frauen (kurz WNBA) offiziell zu einer "fashion destination" entwickelt habe. In einem weiteren Artikel heißt es: "Beim Einmarsch in die Arena ging es darum, Selbstvertrauen zu demonstrieren und die Mode zu nutzen, um sich gegenseitig anzufeuern."
Während es bei den Looks für das Spielfeld und den Trikots um Uniformität ginge und darum, Zusammenhalt zu demonstrieren, seien diese Modemomente vor dem Spiel dafür da, Individualität und Persönlichkeit zu zeigen. Keine scheint das aktuell besser zu meistern als der US-Basketball-Star Caitlin Clark. Im Frühjahr dieses Jahres erschien sie zum WNBA-Draft in einem Ensemble von Prada – das erste Mal, dass die Marke eine Spielerin für diese Art Veranstaltung ausstattete.
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Clarks Stylistin, Adri Zgirdea, verriet gegenüber "Women’s Wear Daily": “Normalerweise dauert es fünf Jahre, bis eine große Modemarke bereit ist, Sportler:innen einzukleiden. Sie wollen sehen, dass sie etabliert sind und für Aufsehen sorgen, bevor sie Investitionen in eine Zusammenarbeit tätigen.” Dass Prada sich so früh für sie entschieden habe, sei für die Stylistin eindeutiges Indiz, dass die Marken sich des popkulturellen Einflusses der Spieler:innen bewusst seien. Dazu ergänzt sie, Caitlin habe "die Leute dazu gebracht, über den Frauensport zu reden und in ihn zu investieren, wie wir es noch nie erlebt haben". Ein besonders schöner Aspekt einer symbiotischen Beziehung.
Dieser Artikel erschien erstmals in der Januar-/Februarausgabe 2025.
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