Rechtskolumne: Darf man eine Markise anbringen?

Schlaues Lüften, gefrorene Wasserflaschen auf dem Regal oder feuchte Handtücher vor dem Fenster: So regelmäßig wie die Hitzewellen schwappen auch die dazu passenden Ratschläge durch den Sommer. Manche davon sind nicht besonders massenkompatibel (Socken in den Kühlschrank) oder nicht sehr praktikabel (Computer ausschalten), dafür aber leicht umzusetzen. Bei den effektivsten Mitteln gegen die Sommerhitze sollten Mieter aber keinen Alleingang wagen: Wer einen Sonnenschutz installieren will, muss vorher den Vermieter fragen.
„Ein allgemeiner Anspruch auf das Anbringen von Markisen, Jalousien oder Rollläden besteht nicht“, betont Luisa Peitz, Referentin Recht bei Haus & Grund Deutschland. Ob der Vermieter zustimmen müsse, hänge von den konkreten Umständen ab. Etwa, ob das Gebäude unter Denkmalschutz stehe oder das optische Erscheinungsbild stark beeinträchtigt werde. Bei der Abwägung der Interessen tendiert die Rechtsprechung allerdings zum Sonnenschutz: Wenn kein triftiger Grund dagegenspricht, müssen Vermieter einem Urteil des Landgerichts Berlin zufolge die Installation einer Markise erlauben (Az. 64 S 322/20).
Mit Schönheit und Ästhetik der Fassade konnte der Vermieter in dem Fall nicht argumentieren. Das Interesse an einem ausreichenden Sonnenschutz sei höher zu bewerten als vermeintliche „optische und ästhetische Beeinträchtigungen“, so das Gericht. Der Sachverständige stellte zudem fest, dass die Installation einer Markise keine Schäden am Mauerwerk oder Wärmebrücken verursache. Und auch der Hinweis, der Mieter könne ja mehrere Sonnenschirme aufstellen, brachte dem Eigentümer nichts. Das Landgericht ließ durchblicken, dass eine Anhäufung bunter Schirme auf den Balkonen der Ästhetik des Gebäudes auch nicht zuträglicher ist als Markisen. Und diese hätten den Vorteil, den größtmöglichen Schutz gegen die Sonne zu bieten – und zwar, ohne dabei die Nutzung des Balkons unzumutbar einzuschränken.

Motten, Ameisen, Silberfischchen: Wenn in der Wohnung Insekten leben, wird es heikel. Meistens ist die Bekämpfung von Schädlingen Sache des Vermieters. Doch auch Mieter haben Pflichten.
Wer einen Sonnenschutz anbringen will, muss diesen allerdings fachgerecht installieren lassen. Eigentümer können außerdem darauf bestehen, dass Mieter eine Haftpflichtversicherung abschließen und eine zusätzliche Kaution für die Rückbaukosten hinterlegen.
Komplizierter wird es, wenn es nicht nur auf dem Balkon, sondern in der ganzen Wohnung sehr heiß wird. Sommerhitze ist per se nämlich kein erheblicher Mangel. Für Wohnräume gibt es auch keine gesetzlich festgelegten Temperaturgrenzen. Mieter haben also in der Regel keinen Anspruch darauf, dass der Eigentümer nachträglich Rollläden oder eine Klimaanlage einbaut. „Erst wenn Temperaturen im Inneren dauerhaft und deutlich über dem Außenniveau liegen und eine normale Nutzung nicht mehr möglich ist, kann ein Mangel vorliegen“, sagt Peitz.
Laut Mieterbund liegt die Schmerzgrenze etwa bei einer regelmäßigen Überschreitung von 30 Grad. Manche Amtsgerichte haben sich aber auch an der Arbeitsstättenverordnung orientiert, die bereits 26 Grad als kritische Schwelle definiert. Vor Gericht kommt es dabei immer auf den Einzelfall an – und auch auf die Wohnung. In Neubauten dürfen Mieter zum Beispiel niedrigere Temperaturen erwarten als in älteren Gebäuden (AG Hamburg, Az. 46 C 108/04). Mietrechtlich liegt ein Sachmangel nämlich dann vor, wenn der Wärmeschutz nicht jenem Stand der Technik entspricht, der bei der Errichtung des Gebäudes galt.
Schlechte Karten haben dagegen Bewohner von Dachgeschosswohnungen. Sie müssen zwar keine extremen Temperaturen aushalten und dürfen zum Beispiel fristlos kündigen, wenn ihr Wellensittich bei 46 Grad tot von der Stange fällt (Verfassungsgericht des Landes Berlin, Az. 40/06). Bei normaler Sommerhitze dürfen sie die Miete aber unter Umständen nicht so schnell mindern wie ihre Nachbarn im Erdgeschoss. Wer unter dem Dach wohnt, muss grundsätzlich damit rechnen, dass es im Sommer besonders heiß werden kann (AG Leipzig Az. 164 C 6049/04).

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