Nordspanien: Was Girona zum Geheimtipp Nordspaniens macht

von Nicole Schmidt
8 Min.Wilde Natur, kristallklares Wasser und bezaubernde Städte: Der Nordosten Spaniens ist trotz seiner bekannten Costa Brava noch ein Geheimtipp – besonders das charmante Girona.
Vor einer halben Stunde habe ich noch gestresst meinen Koffer in eine Ecke meines Hotelzimmers in Girona geworfen. Jetzt sitze ich in einem kleinen Café am Ende der Eiffel-Brücke – und schon ist der Schalter umgelegt. Was für eine wunderbar lässige Stimmung. Um mich herum plaudern vergnügte Gäste, als hätten sie alle Zeit der Welt. Die luftige Brücke mit ihrem roten Stahlgeflecht wirkt im Licht der späten Nachmittagssonne beinahe schwerelos. Drüben, am anderen Ufer, leuchten alte, eng beieinander stehende Häuser in warmen Pastellfarben. Und der Fluss Onyar spiegelt sie wie gemalt, mit leichtem Kräuseln, wider.
Nordspanien: Gute Laune und weite Ausblicke"Dieser Platz ist meine erste Anlaufstelle, wenn ich von einer meiner Radtouren zurück nach Hause komme. Girona macht mir sofort gute Laune", sagt Alina Jäger, die neben mir Kaffee mit Hafermilch trinkt. Wie gut, dass ich mich mit ihr verabredet habe. Ohne sie wäre ich im Stechschritt an diesem besonderen Ort vorbeigelaufen.
Die Koblenzerin lebt seit vier Jahren hier, im Nordosten der spanischen Provinz Katalonien, sie ist leidenschaftliche Radfahrerin und erzählt ihren 252.000 Follower:innen auf Instagram begeistert von dieser Stadt und ihren Ausfahrten in die Umgebung und in die ganze Welt.
Wir gehen über die Brücke hinüber in die Altstadt, bleiben gleich vor einer Bäckerei stehen. "Du musst unbedingt Schu-shu (schreibt sich 'Xuixo') probieren. Ich liebe dieses lang gezogene Gebäck mit der köstlichen Crema Catalana."

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Die mittelalterliche Stadt Besalú mit ihrer berühmten Brücke über den Fluß Fluvia.
© Christian Kerber / Brigitte
Wir bummeln durch ein irrwitziges Labyrinth enger Gassen, das jüdische Viertel. Vorbei an hübschen Boutiquen, ihrer Lieblingsbar "La Garrina" auf einem lauschigen Platz unter Platanen ("Die machen tollen Bio-Wein selbst!"), hinauf zur wuchtigen, 1000 Jahre alten Kathedrale. Und viele Treppenstufen später spaziere ich begeistert über die mittelalterliche Stadtmauer. An jeder Ecke neue Ausblicke auf diese schöne alte Stadt, in lauschige Innenhöfe, gepflegte Gärten, auf wilde Bauminseln. Und dahinter sanfte grüne Hügel, die allerersten Ausläufer der Pyrenäen. "Von Girona aus kann ich prima das Umland mit dem Rad erkunden", schärmt Alina. Von hier ist man schnell an der Küste, aber auch im bergigen Hinterland.
Genau das habe ich auch vor – aber mit dem Auto. Nördlich von Barcelona schlängelt sich die "wilde Küste", so heißt übersetzt "Costa Brava", von Blanes über 200 Kilometer bis Portbou, wo sie fast die französische Grenze berührt. Die Costa Brava ist für mich – seit ich vor vielen Jahren das erste Mal hier war – die Essenz des Mediterranen: das Licht, der Duft von Pinien in einer kleinen Bucht, glasklares Wasser, ein weißes Dorf auf zerklüfteten Felsen.
Köstlichkeiten in PalsPals zum Beispiel liegt eine dreiviertel Autostunde östlich von Girona. Entrückt von der Welt, sitzt das Örtchen auf einem Hügel, umgeben von einer sanften, leicht gewellten Landschaft mit Feldern, Olivenhainen, Pinienwäldern, Zypressen und Gehöften, die mich ein wenig an die Toskana erinnern.
Das mittelalterliche Dorf Pals.
© Christian Kerber / Brigitte
Fremde Autos und Neubauten sind im alten Ortskern nicht erlaubt. Gassen, Häuser, Plätze, dicke Mauern, alles ist aus Stein gebaut und makellos restauriert. Aus Amphoren in Nischen quellen Geranien. Efeu und wilder Wein ranken sich um Gitterfenster und den Kirchturm hoch. Ein paar Einheimische und Tourist:innen kosten auf dem kleinen Marktplatz bei einem Glas Vermut die späte Frühlingssonne aus. Statt kitschiger Souvenirs verkaufen kleine Läden Keramik, handgemachten Schmuck, Öl, Reis.Reis in Katalonien? Aber ja. Rundkornreis in acht Variationen reift im Hinterland Gironas, dem Empordà, schon seit Jahrhunderten.
"Das Mittelmeerklima, der etwas salzhaltige Boden im Feuchtgebiet und das Wasser des Flusses Ter geben ihm einen nussigen Geschmack", erklärt mir beim Mittagessen Joan Carles Sanchez, der etwas außerhalb in einem umgebauten Bauernhaus sein Restaurant "Es Portal" betreibt. Er kocht bodenständig, regional, gern nach alten Rezepten, aber mit moderner Note. "Die Zeit von Schäumchen und Rauch und viel Chichi ist bei den Köchen der Costa Brava längst vorbei", sagt er und schwärmt von den Arroces, den Reiseintöpfen, "die sind bei uns schön cremig." Mein Favorit ist die Reispfanne mit Tintenfisch-Soffritto, Würstchen, Korianderhuhn, Gambas und Pilzen. Schmeckt nach Bergen und Meer.
Traumhafte BuchtenDem Meer komme ich eine halbe Fahrstunde später, in Begur, ganz nah. Der Ort, der sich von der Burg oben auf dem Hügel bis nah ans Wasser zieht, gefällt mir fast noch besser als Pals. Er ist keineswegs perfekt. An vielen Wänden hängen Kabel, die Bausünden aus den 1970er-Jahren sind nicht zu übersehen. Aber genau das macht den Ort lebendig und bunt. Kleine Läden, Galerien und Boutiquen laden zum Stöbern ein. Und zwischen den alten, schlichten Häusern fallen mir immer wieder prächtige Villen auf, in kräftigen Farben, mit Säulen an den Portalen, Stuck an den Fenstern und Palmen im Garten. Es sind die "Casas de los Indianos", die sich reich gewordene Rückkehrer aus Puerto Rico und Kuba Ende des 19. Jahrhunderts bauten.
"Du musst die Buchten rund um Begur sehen. Sie sind die schönsten an der Costa Brava", hatte mir Alina mit auf den Weg gegeben. Ich habe mich in einem freundlichen, frisch renovierten Hostal an einer dieser Buchten eingemietet: der Cala Sa Riera. Recht weitläufig, goldgelber Sand, Felsen rechts und links, herrliches Wasser. Ebenso schön sind die Buchten von Calella de Palafrugell und dem noch kleineren und ruhigeren Tamariu. Zwei alte, sorgsam gepflegte Fischerörtchen mit schönen Arkadengängen und auf dem Strand vertäuten Booten.
Von meinem Hostal aus gehe ich ein Stück den "Camí de Ronda" einen uralten, für Wanderer gut ausgebauten Verbindungsweg. Er führt mich meist an der Steilküste entlang, zwischendurch auch über hölzerne Stege, Treppen, kleine Brücken, an der Landstraße vorbei. An manchen Stellen ist er nur ein Trampelpfad. Agaven, Feigenkakteen und Pinien krallen sich in schroffe rote Klippen. Wellen umspülen bizarre Steinblöcke. Möwen kreischen. Es riecht nach Rosmarin und Lavendel. Ich klettere über eine hohe Klippe, genieße die Ruhe. Und dann entdecke ich sie: die Bucht Sa Tuna. Von Felsen umarmt, das Wasser schillert grün-blau, an den Hängen zurückgezogen zwischen Pinien ein paar Häuser. Verträumt liegt sie da, zumindest jetzt, ohne Sommergäste. Was für ein Glück!
Am nächsten Morgen verlasse ich das Meer und fahre eine Stunde nach Norden, tief hinein in weite Landschaft des Empordà. Die Pyrenäen rücken näher. Kamillenblüten, Ginster und lila Disteln schmücken den Straßenrand, dahinter ziehen sich Weinreben, so weit das Auge reicht. Auch damit hätte ich nicht gerechnet, so nah an der Küste. "Hier bläst oft der Tramuntana-Wind, es ist sehr heiß im Sommer, deshalb müssen die Pflanzen viel kämpfen. Das macht sie kräftig. Und unseren Cava ganz besonders", erklärt Ingrid Teixidor, die Chefin der "Bodega Oliveda" im Weindorf Capmany, wo ich eine Pause einlege. Ich kaufe drei Flaschen ihres feinst perlenden Schaumweins.
Lieblingsort CadaquésKaum mehr als eine Fahrstunde später laufe ich im Herz eines seit 11 500 Jahren schlafenden Vulkans herum. Der Croscat bildet mit Dutzenden älteren waldbedeckten Brüder und erstarrten Lavaströmen den Naturpark La Garrotxa. Er war mal ein Steinbruch, bis er unter Schutz gestellt wurde. Offen und schillernd liegen seine Gesteinsschichten da, in allen Rot- und Brauntönen. Dazu der stahlblaue Himmel. Wow.
92 Kilometer weiter östlich liegt Dalís Lieblingsort "Cadaqués", ein weißes Fischerdorf am Meer, versteckt auf der wilden Halbinsel Cap de Creus. Mit seinem rätselhaften, magisch-zeitlosen Flair verzauberte es in den 1930er-Jahren auch Picasso und viele andere Kreative.
Abendstimmung in der Bucht von Cadaqués.
© Christian Kerber / Brigitte
Die Passstraße über die steile Serra de Rodes ist serpentinenreich und etwas holprig. Plötzlich fällt der Blick frei auf die halbmondförmige Bucht. Kalkweiß getünchte Häuser umstehen sie. Die holprigen Schiefergassen. Das Casino, eine Mischung aus Gemeindehaus, Vereinskneipe und Bar in bester Lage am Marktplatz, wo alte Männer Karten spielen. Die Fischlokale mit den altmodischen Markisen. Das himmelblaue Fahrrad an der Wand, wo eine pinkfarbene Bougainvillea rankt. Keine Edel-Boutique. Keine Livestyle-Bar. Nur ein paar lässige Boho-Läden. Und wie lange klebt wohl dieses vergilbte Dalí-Foto mit aufgemaltem Bart schon auf der holzwurmdurchsetzten Tür?
Streetart-Künstler in Cadaqués.
© Christian Kerber / Brigitte
Ich setze mich an die Kaimauer, schaue aufs Meer und fühle mich ganz weit weg von dieser Welt. Sicher, denke ich, es ist nicht mehr das Cadaqués von Dalí. Aber es pflegt sorgsam seinen einzigartigen Charme und bleibt sich treu. Costa Brava, du hast mich wieder mal rumgekriegt!
Unsere Tipps für Girona Hinkommen & RumkommenMit Ryanair ab Frankfurt-Hahn oder Düsseldorf-Weeze nach Girona (ab 100 Euro). Alternative: Barcelona, das von vielen Airlines (z. B. Lufthansa ab 153 Euro) angeflogen wird, von dort mit dem Mietwagen weiter (1,5 Stunden bis Girona). Der ist auch die beste Option, will man die Gegend kennenlernen.
ÜbernachtenHostal Ses Negres. Aufwachen und ins Meer hüpfen! Dieses im maritimen Stil renovierte Hostal mit 17 Zimmern und vier Apartments in einer der zauberhaften Buchten von Begur macht’s möglich. DZ/F ab 90 Euro (Begur-Sa Riera, C/del Mar, 8, Tel. 06 49/71 51 71, hostalsesnegres.com).
Hotel Nord 1901. Ideal in einer Nebengasse der Altstadt liegt dieses angenehme Boutiquehotel mit Garten und Pool, das der Opa der Besitzerfamilie 1901 als Wohnhaus errichtete. DZ/F ab 139 Euro (Girona, C/del Nord 7-9, Tel. 09 72/41 15 22, nord1901.com).
Villa Salvador. Wie ein Sommerhaus zwischen Olivenhainen mit dem Duft des Meeres vor der Tür, modern-edel im Design, weiß und sandig die Farben, ein langer Salzwasserpool und ein gutes Restaurant: Rundherum gelungen ist dieses neue Boutiquehotel in Cadaqués. DZ/F ab 257 Euro (Camí des s’Arenella,3, Tel. 08 72/20 82 62, hotelvillasalvador.com).
GenießenCasa Juanita. Seit fast 50 Jahren empfängt dieses rustikale Restaurant in einem der Altstadthäuser von Begur Gäste, aus dem offenen Eichenholzofen kommen Lammgerichte oder Felsen-fisch, gegart mit Zwiebeln, Tomaten, Knoblauch, Weißwein, Olivenöl (25–28 Euro). Zergeht auf der Zunge (Begur, C/. Pi i Ralló, 7, Tel. 072/62 20 13, casajuanita.cat).
Es Portal. Am liebsten kocht Joan Carles Sanchez seine Arroces, traditionelle Reiseintöpfe, modern interpretiert, zum Beispiel mit gegrilltem Oktopus, Entenconfit und geräucherter Mayonnaise (25 Euro), fast alles aus der Region. Dazu passt sein Restaurant: Ein Glasanbau an einem 500 Jahre alten Bauernhaus nahe Pals auf dem Lande (Pals, Crta. de Pals a Torroella de Montgrí, 17, esportalhotel.com).
La Garrina. Mein Weinbar-Tipp für die blaue Stunde in Girona. So lässig und gut gelaunt die Gäste, so hübsch der Platz mitten in der Altstadt, so gut die Naturweine, die Guacamole oder das Pad Thai aus dem Wok (12 Euro). (C/. de Bonaventura y Peralta, 11, Tel. 06 48/19 94 43, soloelamorsalvaraelm.wixsite.com/lagarrina).
ShoppenGirona. Kleine Fachgeschäfte statt großer Ketten, lokale Designer, eine entspannte Atmosphäre und das alles in einer hübschen Altstadt: Da muss man doch zugreifen! Zum Beispiel hier: Lavanda, ätherische Öle, Duftkissen, Kerzen aus natürlichen Rohstoffen (C/.de les Ballesteries, 34); Vimet, regionale Produkte (C/. de les Ballesteries, 2, @vimetgirona); Duransisters, romantisch-florale Designer-Mode (C/. Cort Reial, 3, duransisters.es). Haupteinkaufsstraße ist die Rambla de la Llibertat.
ErlebenCamí de Ronda. Der Beweis: Die Costa Brava kann auch ursprünglich und einsam. Auf uralten Verbindungspfaden schlängelt sich dieser Wanderweg durchs Hinterland und an der Küste entlang. 140 Kilometer als Rundtour, oder spektakuläre 43 Kilometer von Sant Feliu de Guíxols bis Begur, auch Teilstücke sind möglich. Gut ausgebaut, rot-weiß markiert, über die Website kann man Packages mit Übernachtung und Gepäcktransfer buchen (camideronda.com).
Fischauktion. Live dabei sein, wie in der Fischauktionshalle am Hafen von Palamós kistenweise rote Gambas, Sardinen, Seeteufel oder Tintenfische übers Förderband rollen, dabei die Preise im Sekundentakt sinken – bis ein Händler per Knopfdruck zuschlägt. Nur mit Führung, Eintritt 3,50 Euro (Palamós, Museum und Espai de Peix , Moll pesquer, s/n, Tel. 09 72/60 04 24, museudelapesca.org).
TelefonDie Vorwahl von Spanien lautet 00 34
Das "Cal Sastre" ist ein ruhiges Acht-Zimmer-Hotel im mittelalterlichen Santa Pau mit Bruchsteinmauern, Holzbalken unter der Decke und antiken Familienerbstücken als Deko. Im dazugehörigen Restaurant wirdauthentische katalanische Küche serviert. DZ/ab 140 Euro (Plaça dels Valls, 6-9, calsastre.com)
Der Name ist hier Programm: Im Lokal "Compartir" in Cadaqués gibt es Gerichte zum Teilen. So kann man viele der Leckereien probieren. Vorher reservieren! (compartircadaques.com)
ReisenStaksige Elefanten gibt es im Garten des "Castell Gala Dalí" in Pubol. Der Künstler Salvador Dalí verwandelte die Burg in ein surreales Märchenschloss (salvador-dali.org/en/museums)
Mehr Infos finden Sie unter costabrava.org
Hätte ich das gewusst …Im Juli und August macht ganz Spanien Ferien, da wird es auch an der Costa Brava proppenvoll. Im Mai/Juni und September/Oktober ist es, anders als in vielen Regionen Spaniens, viel ruhiger. Und bis in den November hinein kann man baden!
Brigitte
brigitte