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Maria Aljochina von Pussy Riot meldet sich zu Wort

Maria Aljochina von Pussy Riot meldet sich zu Wort
30. Oktober 2025

Das Buch "Political Girl" von Pussy Riot-Sängerin Maria Aljochina beschreibt ihren Widerstand gegen das Putin-Regime, der in ihrer spektakulären Flucht 2022 mündete - und ihren Kampf für ein freies Russland.

Junge Frau mit schwarzer Mütze, Plakat von LitCologne im Hintergrund
Marija Aljochina von Pussy Riot stellt ihr Buch vorBild: Christoph Hardt/Panama Pictures/picture alliance

Sie sitzt in schwarzer Kluft auf der Bühne und zieht an einer E-Zigarette, ihre blonden Locken quellen unter einer dicken Strickmütze hervor: Die unbeugsame Punk-Lady Maria Aljochina, 37, politische Aktivistin und Performance-Künstlerin, präsentiert in Köln ihr Buch "Political Girl. Leben und Schicksal in Putins Russland".

Maria Aljochina ist eine der Frauen, die im Februar 2012, am Vorabend der Wahl Wladimir Putins zur erneuten und bis jetzt andauernden Präsidentschaft, in bunten Kleidern und Gesichtsmasken vor dem Altar der Christus-Erlöser Kathedrale in Moskau tanzten und mit einem "Punk-Gebet" die Gottesmutter anflehten, Putin zu verjagen. Die Welt applaudierte Pussy Riot.

Vier Mädchen in bunten Kleidern und mit Masken tanzen vor einem vergoldeten Altar
Ein Tänzchen, das ihr Leben veränderte: Maria Aljochina (in Grün) vor dem Altar der Christ-Erlöser-Kathedrale zu Moskau, Februar 2012Bild: ITAR-TASS/IMAGO

Die Gottesmutter erhörte das Gebet allerdings nicht: Putin ist immer noch da. Der anfangs noch gemäßigte Autokrat herrscht jetzt wie ein Diktator. Maria Aljochina musste Russland verlassen, wie Zehntausende anderer junger Russinnen und Russen, darunter zahlreiche Künstler. Heute besitzt Aljochina einen isländischen Pass und führt ein Nomadenleben im Westen.

Sonia Mikich, langjährige Russland-Korrespondentin der ARD und Moderatorin der Buchpräsentation in Köln, begrüßt Maria - "Mascha" - Aljochina als eine Abgesandte eines anderen Russlands - jenes "radikalen, absurden, künstlerischen, freien Landes, das wir so geliebt haben" und das heute nur außerhalb des Putin-Reiches weiterlebt.

Eine Frau sitzt an einem Tisch und schreibt eine Widmung in ein Buch. Um sie herum stehen mehrere Menschen.
Aljochina bei der Buchpräsentation in KölnBild: DW
Aljochina: "Haftbedingungen haben sich verschlimmert"

Zusammen mit ihrer Mitstreiterin Olga Borisova hat Maria Aljochina auf 500 Seiten die Ereignisse in der Zeitspanne vom Dezember 2013 bis April 2022 zusammengetragen. "Ab dem Moment, als ich die Strafkolonie verließ, bis zu dem Moment, als ich absolut widerwillig Russland verlassen musste", präzisiert Aljochina.

Buchcover von "Political Girl. Pussy Riot – Leben und Schicksal in Putins Russland " von Maria Aljochina
Das Buch "Political Girl" erscheint am 10. November 2025 im Berlin-Verlag Bild: Berlin Verlag

Die knapp zwei Jahre Lagerhaft, die Maria Aljochina und andere Pussy Riot-Mitglieder nach der Aktion in der Christus-Erlöser-Kathedrale in einer Strafkolonie verbüßten, erscheinen ihr rückblickend fast luxuriös im Vergleich zur heutigen Situation: "Wir waren ständig begleitet von internationaler Aufmerksamkeit, wir kriegten Tausende von Unterstützerbriefen, und vor allem gab es nicht den brutalen, mörderischen Krieg." Den zahlreichen politischen Häftlingen von heute ergehe es viel schlimmer.

Acht Jahre Kampf in Russland

Ende 2013 wurde Aljochina vorzeitig aus der Haft entlassen und kam nach Hause, begleitet von Journalistenscharen. Doch in den nächsten Jahren nahm die staatliche Gewalt stetig zu - vor allem gegen die eigene Bevölkerung. Sie gipfelte im Angriff auf die Ukraine und dem Mord an Alexej Nawalny.

Bis Anfang 2022 kämpfte Aljochina - es waren acht bewegte Jahre. Sie beteilige sich an regierungskritischen Aktionen, wurde immer wieder mit staatlicher Gewalt konfrontiert, kam immer wieder ins Gefängnis oder unter Hausarrest. Schließlich befreite sie sich von ihrer elektronischen Fußfessel und floh auf abenteuerliche Weise über Belarus und Litauen in den Westen - in der Uniform eines Moskauer Essenslieferdienstes, in der Warmhaltebox auf dem Rücken das Nötigste verstaut.

Gerade wurde Maria Aljochina (wegen angeblicher Verleumdung der russischen Streitkräfte im Antikriegs-Videoklipp "Mama, glaube nicht dem Fernseher") in Abwesenheit zu 13 Jahren Haft verurteilt. "Zu 13 Jahren und 15 Tagen", präzisiert Maria Aljochina im DW-Gespräch nicht ohne Stolz. "Das heißt, die haben mich nicht vergessen." Allein an diesem drakonischen Urteil erkenne man jedoch die Dimension der Repressalien in Russland.

Maria Aljochina wird von einem Polizisten abgeführt, Moskau, 2021. Sie lächelt und zeigt das Peace-Zeichen
Für Maria Aljochina sind Festnahmen fast RoutineBild: Mikhail Tereshchenko/ITAR-TASS/imago images
Freiheit im Herzen

Das Buch "Political Girl" besteht aus zahlreichen Episoden. Sie erzählen von mutigen und mitunter auch lustigen Aktionen - wie etwa dem Tausch der roten Fahnen an fünf Regierungsgebäuden in Moskau gegen Regenbogen-Flaggen als Protest gegen die Unterdrückung der LGBTQ-Community in Russland. Wir begleiten Aljochina auf wilden Fahrten durchs Land, bei Verhaftungen und Angriffen von rechten Schlägern, lernen sie aber auch in sehr persönlichen Kapiteln kennen, in denen sie von ihrer Beziehung zu ihrem Sohn Philipp erzählt: Mit 18 Jahren ist er heute genauso alt ist, wie seine Mutter es war, als sie ihn zur Welt brachte.

Die Geschichten zeichnen ein multidimensionales Bild von Russland - einem morbiden, teils brutalen, aber doch nicht hoffnungslosem Land. Denn, so erzählt Aljochina, es gebe weiterhin mutige, warmherzige Menschen - die habe sie überall getroffen.

Waffen für die Ukraine

Für die aktuelle politische Situation in Europa findet Maria Aljochina klare Worte: "Es gibt diese ultralinken Stimmen in Deutschland, die aus meiner Sicht einfach ein heuchlerischer Horror sind", sagt sie in dem DW-Gespräch am Rande der Lesung in Köln. "Denn wenn man von der Ukraine verlangt, die besetzten Territorien abzugeben und sogenannte Friedensabkommen zu unterzeichnen, so versteht jeder Mensch, der in Russland gegen das Putin-Regime gekämpft hat: Sie (die Russen, Anm. d. Red.) können alles Mögliche unterschreiben und euch danach trotzdem verarschen."

Zwei Menschen in Straßenarbeiter-Kleidungen bringen Regenbogen-Fahnen an einem Regierungsgebäude an
Oktober 2020: Pussy Riot-Aktivistinnen (Maria Aljochina rechts im Bild) bringen, als Straßenarbeiter verkleidet, LGBTQ-Fahnen an den Regierungsgebäuden anBild: Pussy Riot Facebook/AP/picture-alliance

Aljochina ist "auf jeden Fall für Waffenlieferungen für die Ukraine". Jetzt, im vierten Jahr des Krieges, von einem "waffenfreien Frieden" zu sprechen, während hunderttausende Ukrainer ihre Leben für die Existenz ihres Landes geopfert haben, sei einfach nur "dumm und feige", sagt die Aktivistin.

Aljochina: "Widerstand ist immer möglich"

Neben Kreml-Kritikerinnen und -kritikern wie Galina Starowoitowa, Anna Politkowskaja und Alexej Nawalny ist Maria Aljochina selbst ein Beispiel dafür, dass Widerstand immer möglich ist. "Wir wählen nicht das Land, in dem wir geboren werden, aber wir wählen, wie wir unser Leben leben wollen", sagt Maria Aljochina bei der Lesung in Köln. Sie zeigte dem deutschen Publikum das schreckliche Russland: wo junge Mädchen wegen einem Punk-Streich ins Gefängnis kommen, ein berühmter Oppositioneller ermordet wird und Ärzte, Journalisten und Dichter wegen "Fake News" über den Krieg in der Ukraine vor Gericht gestellt werden.

Hat sie Angst? Maria antwortet: "Im Moment schäme ich mich irgendwie, Angst zu haben."

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